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Umfunktioniertes „Jahr des Kindes“

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Im Jahr des Kindes flüchtete ein Mensch von Kambodscha nach Thailand. Er kam als Soldat mit der Maschinenpistole in der Hand. Im Flüchtlingslager schnitzte er sich eine Ente aus Holz als Spielzeug, denn der „Kämpfer“ war noch ein Kind.

Während wir im Jahr des Kindes unsere eigenen Kinder hätscheln und über die Kinder der Dritten Welt mehr reden als für sie tun, macht der Hunger, dem täglich rund 28.000 Menschen zum Opfer fallen, keinen Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen. Und in Vietnam kulminiert die Not der Flüchtlinge in einem Ausmaß, das auch hier die Einteilung in Kinder und Erwachsene illusionistisch erscheinen läßt. , Die Realität hat das Jahr des Kindes zu einem Jahr des Flucht-

lingselends umfunktioniert. Zu einem Jahr der von Menschen verursachten menschlichen Not -das sollten wir nie vergessen. Denn mit der Not der Dürre- und Erdbebenopfer würde internationale mitmenschliche Solidarität sehr viel leichter fertig, ginge sie nicht in einem Ozean des Flüchtlingselends unter.

Aber auch eine Solidarität, die nicht nach dem Alter fragt, wird fast immer dem Motto dieses Jahres gerecht - weil ein Prozentsatz der Flüchtlinge Kinder sind.

Teils, weil in der Dritten Welt der Prozentsatz der Kinder an der Gesamtbevölkerung außerordentlich hoch ist.

Teils, weil viele von diesen Kindern, von den Umständen gezwungen, sich wie Erwachsene verhalten. Zu früh in ein Erwachsenendasein hineingezwungen wurden. Viele der geflohenen kambodschanischen „Kämpfer“ sind Kinder.

Teils auch, weil viele Angehörige der verfolgten chinesischen Minderheit in Vietnam ihre Kinder wegschicken und selbst zurückbleiben. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an die jüdische Familie in dem Wiener Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Der Bub wurde 1938 nach Amerika geschickt, die Eltern blieben und sind verschollen. Die Parallele drängt sich auf.

Auch die Parallele zwischen dem Schiff mit Juden, dessen menschliche Leidensfracht in keinem Hafen an Land gehen durfte, und den vietnamesisch-chinesischen „boat-people“ drängt sich auf. Aber diesmal gibt es Häfen.

Die HUfsbereitschaft, die diesen Menschen in immer mehr Ländern und in zunehmendem Maß entgegengebracht wird, läßt hoffen, daß die, die im Wohlstand leben, doch ein bißchen gelernt haben. Oder daß es ihnen die Massenkommunikationsmittel heute schwerer machen, den Hilferuf zu überhören. Auch Österreich braucht sich nicht'zu “schämen.

Anderseits aber hat heute auch in Österreich niemand die Ausrede, er wüßte jagarnicht.wiezuhelfen sei.

Nicht jeder kann - wie der Wiener Erzbischof - gleich eine ganze Familie in sein Haus aufnehmen. Aber jeder kann beisteuern. Geld und moralische Unterstützung, die beispielsweise die Regierung braucht, wenn sie ungeachtet einer nicht ganz rosigen Arbeitsmarktsituation Menschen in unser Land aufnimmt und de,ren Zahl vielleicht noch weiter aufstockt. Dabei muß ihr der Rücken gestärkt werden.

Für hilfsbereite Österreicher gibt es mittlerweile viele Anlaufadressen. Zeitungen, vor allem aber die Pfarren und die Caritas. Denn die allererste Initiative, zu helfen, ging ja in diesem Fall tatsächlich von der katholischen Basis aus. Und die Caritas verzichtet auch auf alle optischen Effekte und beschränkt sich nicht auf jene, die in aller Munde sind. Sie hilft nicht nur Vietnamesen, sondern auch Kambodschanern, Laoten, Menschen in Nicaragua und in der Sahel-Zone, jugoslawischen Bebenopfern und vielen, vielen anderen.

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