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Umstrittene Maut

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Auf Schweizer Autobahnen wird seit dem 1. Jänner 1985 für alle Motorfahrzeuge bis zu 3,5 Tonnen eine jährliche Abgabe von 30 Franken1) eingehoben. Sie erfolgt durch den Kauf einer Vignette, die an einer bestimmten Stelle der Windschutzscheibe anzubringen ist. Die Abgabe trifft sowohl inländische als auch ausländische Fahrzeuge und ist mit zehn Jahren befristet. Da neben den offizi-

eilen Verkaufsstellen wie Zollämter auch private Stellen wie Automobilclubs, Garagen, Tankstellen und so weiter diese Vignette führen, ist die Beschaffung einfach.

Die Autobahngebühr wurde mit der schwierigen Finanzlage des Bundes begründet:

So hätten Bund, Kantone und Gemeinden zwischen 1961 und 1981 für den motorisierten Straßenverkehr fast zehn Milliarden Franken mehr ausgegeben, als sie über Sonderabgaben (hauptsächlich Treibstoffzölle und Motorfahrzeugsteuern) einnahmen. Kantone und Gemeinden müßten mehr als eine Milliarde Franken im Jahr für Straßen aus allgemeinen Steuergeldern aufbringen.

Die Befürworter der Autobahnmaut verwiesen auf ähnliche Gebühren in Italien, Spanien und

Frankreich und auf den Umstand, daß der Automobilist durch die Autobahnen erhebliche Betriebskosten und Zeit einsparen könne.

Die Verordnung über die Nationalstraßenabgabe kam auf Grund eines Referendums am 26. Februar 1984 zur Abstimmung. Bundesrat und Parlament empfahlen den Stimmberechtigten, mit „Ja“ zu stimmen. In der Tat haben insgesamt 1.132.497 Schweizer Bürger für, 1.005.031 gegen die Autobahngebühr gestimmt.

Die Vignette blieb nicht nur wegen des knappen Abstimmungsergebnisses umstritten. Vielmehr würde ins’ Treffen geführt, daß die tatsächlichen Einnahmen weit unter den Erwartungen lagen und die erhoffte Relation zwischen den im Inland und im Ausland verkauften Vignetten falsch war. So erhoffte sich der Bundesrat Einnahmen von jährlich 250 bis 300 Millionen Franken, von denen 200 bis 250 Millionen von ausländischen und 50 Millionen von Schweizer Fahrzeugen stammen sollten. Die Verwaltungskösten wurden mit 30 bis 50 Millionen Franken angegeben. Tatsächlich betrugen jedoch die Nettoeinnahmen 1985 lediglich 140, 1986 knapp 150 Millionen Franken. Der Anteil der inländischen Vignettenkäufer liegt vorsichtig geschätzt bei 50 Prozent und nicht—wie die Befürworter vor der Abstimmung meinten — bei einem Fünftel oder

Sechstel.

Die zum Teil heftige Kritik an der Autobahngebühr hat zu einer Initiative geführt, die die Autobahnvignette noch vor Ablauf der vorgesehenen Dauer von zehn Jahren mittels Volksabstimmung wieder abschaffen möchte.

Diese Initiative unzufriedener Schweizer brachte schon im Sommer des vergangenen Jahres die für eine Volksabstimmung erforderlichen 100.000 Stimmen zusammen.

Nach Schweizer Verfassung muß nun der Bundesrat innerhalb von drei Jahren, also bis Sommer 1989, zu diesem Problem „Maut“ Stellung nehmen. Bis jetzt ist noch keine derartige Äußerung erfolgt.

Die Maut-Gegner führen als zusätzliches Argument ins Treffen: Für den Bau der Autobahnen mußten (im Gegensatz zu Österreich, Anm. d. Red.) keine Kredite aufgenommen werden. Die Autobahnen sind demnach sogar schon bezahlt.

Ein Detail noch am Rande: Als im Zuge der Mauteinführung auch Abgaben für den Schwerverkehr verordnet wurden, gab es heftige Proteste aus der Bundesrepublik. Die angedrohten Gegenmaßnahmen sind jedoch ausgeblieben …

1) Kurs vom 16.4.1987:1 Schweizer Franken = 8,5285 Schilling.

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