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Umwelt & Lebensqualität

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Tempolimit

Tempolimits bringen nichts. Wer langsamer fährt, ist nämlich länger unterwegs.

Angaben über Treibstoffersparnis beziehen sich stets auf Strecken und nicht auf Fahrzeiten. Wer schneller unterwegs ist, verbraucht mehr Benzin, erzeugt also mehr Abgase, die wegen der höheren Verbrennungstemperatur giftiger sind.

Ein Versuch auf der Strecke Wien—Wels—Leoben—Semmering —Wien (597 Kilometer) illustrierte dies: Der VW-Golf, der sich an die derzeit vorgeschriebenen Tempogrenzen hielt, benötigte zwar um acht Prozent weniger Zeit, als ein gleicher Wagen, der nur Tempo 80 auf Bundesstraßen und Tempo 100 auf Autobahnen fuhr. Dafür aber verbrauchte er um 22 Prozent mehr Benzin.

Neueste deutsche Untersuchungen zeigen weiters, daß sich dies auch in einer Abgasverringerung um rund 20 Prozent niederschlägt.

Tempolimits verursachen Staus.

Geschwindigkeitsbegrenzungen machen den Verkehrsfluß einheitlicher. Das erhöht die Kapazität der Straßen. Ohne Tempolimits können 2400 Autos pro Stunde über eine zweispurige Autobahn geschleust werden, mit Begrenzung aber 4000.

An Tempolimits hält sich ohnedies niemand.

Leider läßt die Disziplin mit der Gewöhnung an das Bestehen von Limits nach, wie auch der einjährige Versuch mit Tempo 100 auf den Vorarlberger Autobahnen gezeigt hat. Dem läßt sich mit gezielter Motivation und mit einer effizienteren Überwachung entgegenwirken. Schließlich werden auch Leben gerettet, wenn man dem Schnellfahren den Kampf ansagt: Jährlich büßen nämlich 250 Menschen ihr Leben wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen ein.

Und außerdem: Tempolimit bringt ab sofort weniger Umweltverschmutzung, der Katalysator erst langsam mit seinem Einsatz.

Luftverschmutzung

Neuwagen müssen ohnedies Katalysatoren haben. Damit ist das Problem gelöst.

Diese Umrüstung dauert mindestens zehn Jahre. Das könnte zu lang sein. Auch die Katalysa-tor-(Kat-)Pflicht für neue Mopeds ab Jänner 1989 reicht nicht. Es geht um die alten Autos. Hier bietet sich der Nachrüst-Kat als Lösung an. 600.000 PKW in Österreich kommen dafür in Frage. Ein Großversuch des ÖAMTC ergab, daß Nachrüst-Kats Beachtliches leisten:

Die größeren Modelle auf Keramik-Basis verringern die Kohlenwasserstoffe um 68, die Stickoxide um 55 und das Kohlenmon-oxid um 61 Prozent. Sogenannte „Mikro-Kats“ bringen es immerhin noch auf 35 Prozent Abgasverringerung.

Nachrüst-Kats sind zu teuer.

Die größeren, leistungsfähigen Modelle kosten ohne Montage etwa 8.000 Schilling, die kleineren 3.000. Die beste Gelegenheit, auf einen Kat umzusteigen, ist gegeben, wenn ohnedies ein Auspuff-Wechsel fällig ist. Um diesen Schritt zu erleichtern, gewährt das Land Vorarlberg eine Förderung von 1.000 Schilling. Etwa ein Dutzend Gemeinden im Ländle schießen weitere 1.000 Schilling bei einer Umrüstung zu.

Auch in Kärnten gibt es einen Grundsatzbeschluß des Landtages, eine Kat-Nachrüstung mit 2.000 bis 3.000 Schilling zu fördern. Die konkrete Festsetzung des Betrags steht unmittelbar bevor. Tirol wiederum plant die Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung für Autos ohne Kat, würde aber eine rasche Umrüstung (und daher Förderung) besonders notwendig haben (siehe Seite 16).

Leider gibt es für Umrüstungswillige immer noch einen unnötigen administrativen Hürdenlauf zu bewältigen.

Wie umweltfreundlich sind Dieselmotoren?

Sie gelten zwar als relativ abgasarm, doch auch hier gibt es noch Verbesserungen. Anzustreben wäre vor allem eine Entschwefelung des Treibstoffes, denn immer noch blasen dieselgetriebene Fahrzeuge rund 15.000 Tonnen Schwefeldioxid in Österreichs Luft.

Versuche der „österreichischen Agrarindustrie GesmbH“ in Gmünd wiederum zielen darauf an, die bei der Verbrennung von Dieselol anfallende ReBerzeuguung zu verringern: En eine gringfugige Verringerung des Treibstoffverbrauchs erkennen (minus ein Prozent).

An Lärm kann man sich gewöhnen.

Lang andauernde Lärmbelastung führt zu irreversiblen Innenohrschädigungen und zu Schwerhörigkeit. Wer Lärm ausgesetzt ist, reagiert darüber hinaus mit dem ganzen Körper: Erhöhung von Herzfrequenz und Blutdruck, erhöhte Muskelspannung, Verengung der Blutgefäße ... In der Nacht verändert Lärmbelastung die Schlaftiefe und -dauer.

Mit Verkehrslärm müssen wir nun einmal leben.

Durchaus nicht. Am besten bekämpft man Lärm an der Entstehungsquelle. Nicht hochtourig zu fahren, bringt bereits eine Verringerung des Lärmpegels von bis zu acht Dezibel (dB). Um drei bis sechs dB wiederum läßt sich die Lärmbelastung durch Geschwindigkeitsverringerung von 100 auf 80 Stundenkilometer verringern (wobei der Wert drei sich auch bei einer Halbierung des Verkehrsaufkommens ergäbe). Allein das Nachtfahrverbot für LKW in Wien hat fünf dB gebracht.

Was kann die Technik beitragen?

Es wäre kein Problem, lärmarme Autos auf den Markt zu bringen (vor allem auch LKW). Es gibt geeignete Möglichkeiten, schallisolierte Motoren zu verwenden. Das würde die Anschaffungskosten von Kfz um rund fünf Prozent erhöhen. Derzeit werden solche Fahrzeuge kaum angeboten. Ihr Absatz ließe sich (nach holländischem Beispiel) durch gestaffelte Steuersätze fördern: Wer mehr Lärm macht, zahlt mehr Kfz-Steuer!

Eine Lärmverringerung von drei bis fünf dB ist auch von der Aufbringung von „Flüsterasphalt“ zu erwarten. Das ist ein zweischichtiger, elastischer Belag, der fugenlos in einer Stärke von drei bis fünf Zentimeter aufgebracht wird. Er ist um zehn Prozent teurer als übliche Beläge, verringert die Gefahr von „Aqua-planing“, verlangt aber im Winter Salzstreuung und ist diesbezüglich nicht umweltverträglich. Er wird derzeit getestet.

Und was geschieht konkret in Sachen Lärmschutz?

Weil täglich 1,6 Millionen Kfz auf Österreichs Straßen unterwegs, sind, kommt Lärmschutzbauten eine große Bedeutung zu. Bis 1985 wurden 140 Kilometer Lärmschutzwände und 40 Kilometer Lärmschutzdämme entlang von Bundesstraßen errichtet. Die Tendenz dieser Investitionen ist stark steigend.

Schätzungen zufolge gibt es beim Lärmschutz an Bundesstraßen einen Nachholbedarf von Einrichtungen im Wert von drei Milliarden Schilling. Auch die Bundesbahn hat eine Studie zur Lärmerhebung in Auftrag gegeben, die Grundlagen für Schutzmaßnahmen liefern wird.

Lebenswerte Stadt

Niemand geht heute mehr zu Fuß.

Untersuchungen über die täglichen Ortsveränderungen zeigen zwar, daß bei 40 Prozent der Ortsveränderungen das Auto verwendet wird, aber schon an zweiter Stelle rangieren die eigenen Beine als Transportmittel: 31 Prozent der Wege werden zu Fuß erledigt. Deutlich ist der Abstand zu den öffentlichen Verkehrsmitteln (13 Prozent), denen das Fahrrad dicht folgt (neun Prozent).

Bedenkt man die überragende Bedeutung des Autos im Uberlandverkehr, so wird deutlich, daß im städtischen Bereich Wege zu Fuß und mit dem Rad zahlreicher als die mit dem Auto zurückgelegten sind. Dieser Erkenntnis tragen die Verkehrsplaner zunehmend Rechnung.

Gibt es Alternativen zur autogerechten Stadt?

Lange Zeit dominierte die Politik für den Autofahrer: Seit 1950 fielen in Wien 30.000 Alleebäume Fahrbahnerweiterungen zum Opfer. Zahllose Bäume gingen an den Folgen der Salzstreuung zugrunde. Kleine Parks und Kinderspielplätze verloren — vom

Verkehr umtost - ihren Erholungswert, Straßen ihre Funktion als Ort der Begegnung.

Mit der Schaffung von Fußgängerzonen wurde ein neuer Weg beschritten. Damit wurde das Auto zwar nicht abgeschafft, aber aus bestimmten Bereichen abgedrängt. Das hat sich ebenso bewährt wie die Einrichtung Kf z-armer Wohnschutzzonen, etwa im Londoner Stadtteil Plimlico. Dort sorgen Sackgassen und ein Labyrinth von Einbahnen dafür, daß der Durchzugsverkehr das Gebiet meidet. Demselben Zweck dient der Rückbau von Straßen durch Anpflanzen von Bäumen, durch Einschränkung des Verkehrs auf .Anrainer und Einräumen der Erlaubnis, auf Straßen zu spielen.

Der öffentliche Verkehr ist zu wenig attraktiv.

Das stimmt teilweise, könnte sich aber ändern. Jedenfalls ist er verträglicher für die Umwelt. Am besten schneidet der O-Bus ab -wegen seiner Geräuscharmut. Jedenfalls müßte dem öffentlichen Verkehr Vorrang eingeräumt werden, um seine Reisegeschwindigkeit zu erhöhen (sie liegt derzeit bei der Wiener Straßenbahn bei nur 15 Stundenkilometer).

Folgende Maßnahmen bieten sich an: Freihalten eigener Gleiskörper und Busstraßen, bevorzugte Lichtsignale für den öffentlichen Verkehr, Erhöhung der Frequenz, Einrichtung ausreichender Abstellmöglichkeiten für Autos an den Endstellen leistungsfähiger Verkehrsmittel (Park-and-ride-System).

Das Fahrrad hat ohnedies keine Chance.

1977 gaben 16 Prozent der befragten Wiener an, sie würden -geeignete Bedingungen vorausgesetzt - das Rad auch für Wege in der Stadt verwenden wollen. Davon ist man zwar heute weit entfernt. Erfahrungen in deutschen Städten, aber insbesondere auch in Graz und Salzburg, zeigen, daß gezielte Maßnahmen die Bereitschaft, das Rad zu benutzen, erhöhen: Vor allem gilt es, ein sicheres und möglichst durchgehend befahrbares Radroutennetz abseits des Hauptverkehrs einzurichten. Dann erweist sich das Rad als lautlose, abgasfreie Alternative zu anderen Verkehrsmitteln, mit denen es auf Distanzen bis acht Kilometer erfolgreich konkurriert.

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