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Umweltschutz wird zur “Nabelschnur“

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Der Umweltschutz gewinnt in Österreichs Außenpolitik immer mehr an Bedeutung. Dieser Tatsache Rechnung tragend, wurde mit 1. Mai 1989 im Bundeskanzleramt eine eigene Abteilung für bi- und multilaterale Umweltschutzfragen geschaffen. Leiter der Abteilung ist Gesandter Ge-

org Calice. “Die Schaffung dieser Abteilung im Rahmen der wirtschaftspolitischen Sektion des Bundeskanzleramtes dokumentiert den hohen Stellenwert, den der Umweltschutz besonders bei unseren östlichen Nachbarn in den letzten Jahren erreicht hat“, betont Calice.

Die Alpenrepublik kann übrigens auch auf diesem Gebiet für sich in Anspruch nehmen, eine Vorreiterrolle zu spielen; Immerhin hat Österreich als erstes westliches Land mit einem Oststaat - nämlich Ungarn - ein Umweltschutzabkommen geschlossen. Der “Vertrag der Republik Österreich mit der Ungarischen Volksrepublik über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes“ wurde 1985 unter dem damaligen Umweltminister Kurt Steyrer ratifiziert. Bei diesem Staatsvertrag, der sich an den Zielen und Grundsätzen der 1972 in Stockholm abgehaltenen Konferenz der Vereinten Nationen über die menschliche Umwelt orientiert, handelt es sich um ein Rahmenabkommen, das dann durch sogenannte “Arbeitspläne“ - die eine jeweilige Geltungsdauer von drei Jahren haben - sozusagen erst “mit Leben erfüllt“ wird. In diesen Arbeitsplänen sind, wie es im Staatsvertrag unter anderem heißt, “unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Ausgewogenheit und des gegenseitigen Nutzens auch nähere Vereinbarungen über den Austausch von Experten, wie über Umfang, Aufenthaltsdauer und Bedingungen - insbesonderefinanzieller Art- der Aufnahme im Gastland zu treffen“. Der Vertrag selbst wird auf jeweils fünf Jahre abgeschlossen. Seine Gültigkeit verlängert sich jeweils um weitere fünf Jahre, sofeme nicht einer der Vertragsstaaten diesen Vertrag spätestens sechs Monate vor Ablauf der Frist schriftlich auf diplomatischem Weg kündigt. Dazu hatte Österreich - konkret im Falle des Nachbarn Ungarn - keinen Grund. Denn die Zusammenarbeit hat sich sehr gut entwickelt - in der Zwischenzeit befinden wir uns schon in der zweiten Dreijahresphase der “Arbeitspläne“. Ein besonders wichtiger und aktueller Punkt in der bilateralen Kooperation ist das Projekt eines “Zwei-Staaten-Nationalparks“

am Neusiedlersee, für den sich auf österreichischer Seite Umweltministerin Marilies Flemming besonders engagiert.

Ähnliche Staatsverträge bestehen übrigens auch mit der DDR und der CSSR, wobei in diesen Vertrags werken die Kernenergie nicht berück- sichtigt’ist. “Für letzteren Themenbereich“, so Gesandter Calice, “existieren eigene Kernenergie-Abkommen, wobei gerade im Fall der CSSR wesentlich ist, daß jetzt auch über die nicht-grenznahen Atommeiler vertragskonform gesprochen werden kann, was ursprünglich nicht der Fall war.“

Doch zurück zum Umweltschutz im engeren Sinn. Ein entsprechendes Abkommen mit Polen ist bereits unterzeichnet und wird derzeit im Parlament behandelt, es soll in Kürze ratifiziert werden. Mit der UdSSR laufen die vorbereitenden Verhandlungen noch, die Kontakte zu Österreich wurden übrigens auf Initiative der Sowjetunion auf höchster politischer Ebene her- gestellt. Verzögert wurden die bilateralen Gespräche durch die Erdbebenkatastrophe im Frühjahr 1989. Ein entsprechender Staatsvertrag soll aber noch im Herbst dieses Jahres zustande kommen.

Etwas langwieriger und schwieriger gestalten sich die Verhandlungen mit Jugoslawien. Kontakte gibt es seit rund vier Jahren, die Verhandlungen gehen aber eher schleppend voran. Wie aras dem österreichischen Umweltschutz-Ministerium verlautet, haben die Jugoslawen bisher nicht erkennen lassen, ob oder wie sie bereit sind, auf die österreichischen Vorstellungen einzugehen. Dementsprechend ist auch ein Termin für einen Vertragsabschluß derzeit nicht absehbar.

Allen Verträgen mit unseren östlichen Nachbarstaaten gemeinsam ist der Wunsch der Vertragspartner, in verstärktem Maße Zutritt zu westlicher Umwelttechnologie zu erhalten. Österreich be müht sich daher auch, bei Besuchen von Expertendelegationen Kontakte mit heimischen Firmen herzustellen - nicht zuletzt auch zoom Wöhle der alpenländischen Wirtschaft.

Während es - unter anderem aus historischen Gründen - der “lebens- erhaltenden Nabelschnur“ in Sachen Umweltschutz mit den Oststaa-

l ten der Staatsverträge samt inkludierter Arbeitspläne bedarf, funktioniert die Sache mit dem Nachbarn im Westen auch ohne Institutionalisierung. So herrscht, wie man im österreichischen Umweltministerium betont, seit Jahren beim Drei- Minister-Treffen (BRD-Schweiz- Österreich) ein ‘‘ganz ausgezeichnetes Klima“. Die Notwendigkeit von besonderen Verträgen wird nicht gesehen. Aus dem Dreiertreffen der Umwelt- Ressortchefs ist übrigens - mit der Teilnahme Liechtensteins - jetzt ein Vierertreffen geworden. Mit Italien laufen derzeit eher lose Verhandlungen über eine Umweltschutz-Vereinbarung, dagegen gibt es mit den Franzosen - was den Umweltbereich betrifft - praktis ch keine Gespräche.

‘‘Während unsere Aufgabe die Koordination im außenpolitischen Bereich betrifft, also das Führen der Verhandlungen und das Abschließen der Abkommen, fällt die innerstaatliche Durchführung dann in die Kompetenz der jeweiligen Ressorts“, berichtet Gesandter Calice. Und da Umweltfragen in den kommenden Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten besonders im multilateralen Bereich einen absoluten ‘‘Spitzenplatz“ einnehmen werden, eröffnet sich hier für Österreichs Außenpolitik ein weites und verdienstvolles diplomatisches Feld.

Der Autor ist Chefredakteur des in Wien erscheinenden Magazins ‘Umweltschutz*.

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