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(Un-)Heimliche Sponsoren

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Amerika ist beunruhigt: Die Japaner kaufen nicht nur eine Firma nach der anderen auf, sie beginnen auch zunehmend, sich für US-Universitäten und „think tanks" zu interessieren. Denn während die Japaner auf dem Sektor der angewandten Technik den Amerikanern eine Nasenlänge voraus sind, hinken sie im Forschungsbereich beträchtlich hinterher.

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Amerika ist beunruhigt: Die Japaner kaufen nicht nur eine Firma nach der anderen auf, sie beginnen auch zunehmend, sich für US-Universitäten und „think tanks" zu interessieren. Denn während die Japaner auf dem Sektor der angewandten Technik den Amerikanern eine Nasenlänge voraus sind, hinken sie im Forschungsbereich beträchtlich hinterher.

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Um die Schwächen des eigenen Systems zu kompensieren, investieren die japanischen Unternehmen nun zunehmend in die Forschung der amerikanischen Bildungsstätten: Das angesehene Massachusetts Institute for Technology etwa beherbergt 22 von den Japanern gestiftete Lehrstühle mit Dotationen im Wert von je 750.000 bis zwei Millionen Dollar. Auch die Top-Universitäten Stanford, Harvard und Columbia verfügen über mehrere solcherart finanzierte Lehrstühle. Nippons Konzerne vergeben Auftragsarbeiten, sponsern gemeinsame Studien, werben US-Wissenschafter als Consulenten an. Berichten zufolge sind die Investitionen der Japaner im Forschungsbereich in letzter Zeit „rapide gestiegen": In den letzten fünf Jahren um je weils 30 Prozent; und im Vorjahr ließen die femöstlichen Philantrophen sogar 300 Millionen Dollar „springen". Heuer soll der Beitrag auf 500 Millionen angehoben werden.

Unentbehrlicher Geldsegen

Diese Spendierlust wird nicht mit ungeteilter Freude beobachtet. Es gibt vielmehr Anzeichen, daß die letzte Bastion im „Verteidigungskrieg" der US-Wirtschaft - der Wissens vor-sprung - so sturmreif gemacht wird. Nach Ansicht des Buchautors Pat Choate („Agents of Influence") übt die japanische Regierung ungeniert Druck aus, um die Wirtschaft zu mehr Gebefreudigkeit zu animieren. Im Februar 1990 hatte das Außenministerium 300 Top-Manager nach Tokio geholt und diesen aufgetragen „mehr zu spenden". Die Regierung will so der zunehmenden Feindseligkeit der amerikanischen Öffentlichkeit gegenüber der aggressiven Wirtschaftspolitik Tokios das Wasser abgraben. Über die Aufrichtigkeit dieses Ansinnens werden aber immer mehr Zweifel laut.

Während die Universitäten gerne zugreifen, den Geldsegen als „unentbehrlich" für die aufwendige Grundlagenforschung bezeichnen, reagieren die Wirtschaftsstrategen in Washington gereizt über den „Ausverkauf der Intelligenz".

Die Kritiker meinen, daß unter der „Maske der Wohltätigkeit" die Japaner relativ billig an jene Informationen herankämen, mit deren Hilfe sie letztlich ihre amerikanischen Konkurrenten ausstechen können.

Dieser Vorwurf ist nicht unberechtigt: Über Jahrzehnte waren die USA marktführend im Bereich der Computer-Hardware. Aber 1985 produzierte der japanische Multi NEC nicht nur mehr Mikroprozessoren, sondern überrundete die Amerikaner auch bei der Herstellung von Halbleitern. Der springende Punkt: NEC ist ein Langzeitsponsor des Massachusetts Institute of Technology. Gegenüber

„Business Week" gestand NEC-Vorstand Koji Kobayashi, daß der Erfolg von NEC beträchtlich auf das Konto des Instituts gehe. Am Massachusetts Institute hat auch der Mediengigant Sony einen Fuß fest in die Tür des Labors geklemmt. Doch die Institutsleitung findet nur lobende Worte über die japanischen Geldgeber, nämlich, daß Gewinn und Transfer „in beide Richtungen enorm" sei.

Mangelnder Patriotismus

Den japanischen Know-how-Jägern spielt auch der grassierende Veröffentlichungszwang („publish or pe-rish") der US-Wissenschaft in die Hände: Wer als erster mit den Forschungsergebnissen herausrückt, kassiert Ruhm, Promotion und Geld. Nationale Belange spielen da die zweite Geige. In Washington klagt man lauthals über den „mangelnden

Patriotismus" der Wissenschafter.

Hiroshi Peter Kamura, Direktor des New Yorker Japan Centers for International Exchange, versteht die Aufregung nicht: „Wir zwingen unsere Spenden den Leuten doch nicht.auf!" Japans Konzerne greifen nur deshalb in den Spendentopf „weil sie in der Gesellschaft akzeptiert sein wollen". Die Initiativen kommen sowieso von amerikanischen Institutionen, die mit „sehr professionellen Sammelaktionen" anklopfen. „Da Japan als immens reiche Wirtschaftsnation gesehen wird, ist da ständig Druck von seiten der Universitäten und Kultureinrichtungen, finanziell mehr beizutragen", verteidigt Kamura seine Landsleute.

Genau betrachtet sind die Japanerauch auf diesem Gebiet nur gelehrige Schüler von Un-cle Sam: In den USA ist die öffentliche Wohltätigkeit für jede renommierte Firma ein gesellschaftliches Muß. Daß sich mit Spenden und Stiftungen auch noch das eigene Image schön polieren läßt, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Auf jeden Fall aber eine subtilere Werbung als Hochglanzplakate und PR-Arbeit. In Japan war diese Form von Philantrophie bis vor kurzem unbekannt - so wie „Caritas" ein durchaus westlicher Begriff ist.

Die eifrigen Spender aus Fernost hätte nun auch die US-Firmen „unter Druck gebracht", meint Cornelia W. Higginson von American Express. Hatten die amerikanischen Konzerne 1989 von ihrem Spendenbudget von 1,8 Milliarden Dollar nur sechs Prozent ins notleidende Ausland geleitet, soll nach einer Meldung von „Business Week" für heuer der Beitrag „bedeutend" erhöht werden.

Daß sich Wohltätigkeit und Geschäfte gut vermengen lassen, ist dabei kein Geheimnis. So hat der Lebensmittelkonzern H. J. Heinz in Cheng-du/China ein Institut zur Erforschung der Ernährung von Kleinkindern gestiftet. In einem Land wo jährlich 22 Millionen Babies geboren werden,ein Projekt mit Zukunft.

IBM schenkte den Nationalparks in Costa Rica eine Computer-Gesamtausstattung; dieses Jahr will IBM die Spenden auf 50 Millionen Dollar erhöhen. Zugleich aber hat der Konzern ein eigenes Department installiert, das die Sinnhaftigkeit der Projekte kontrolliert. Denn Wohltätigkeit kann auch in die Hosen gehen: In den frühen achtziger Jahre hatte die American Chamber of Commerce (Handelskammern Südafrika) in Soweto, eine Mittelschule für vier Millionen Dollar errichtet. Aus politischen Gründen sah die schwarze Bevölkerung darin nicht ein Geschenk, sondern eine „Bestechung": Die Schüler boykottierten die Schule, die Lehrer wurden mit Morddrohungen eingeschüchtert. Nach wenigen Jahren mußte die Schule wieder schließen.

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