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Unabhängigkeit der Medien

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Von der „Unabhängigkeit der Medien in Österreich“ sollte bei den jüngst abgehaltenen Linzer Mediengesprächen gesprochen werden. Gesprochen wurde nach einer perfekten Umfunktionierung von Tagungsthema und Podiumsteilnehmern über Sinn und Zweck des Rundfunkmonopols und seines möglichen Endes.

Es wäre zu schade, angesichts der tatsächlichen und bevorstehenden Bedrohungen der Unabhängigkeit der Medien, diese Umfunktionierung einfach hinzunehmen und das eigentliche Thema zu vergessen.

„Unabhängig“ als Selbstdeklaration einer oder mehrerer Zeitungen einerseits - seinerzeit besonders aktualisiert anläßlich des Rundfunkvolksbegehrens im Gegensatz zu den Parteizeitungen -, anderseits der Vorwurf der Abhängigkeit an die jeweils anderen, haben in der österreichischen Mediendiskussion immer etwas von moralischer Rechtfertigung oder moralischem Vorwurf an «sich. Mit der Chiffre „unabhängig“ soll die eigene Glaubwürdigkeit erhöht, die Glaubwürdigkeit des als „nicht unabhängig“ Bezeichneten gemindert werden. Dabei verstehen die einen „unabhängig“ nur im engeren Sinn - als Unabhängigkeit von politischen Parteien -, die anderen sehen überhaupt keine Chance für echte Unabhängigkeit, da jeder irgendwie verstrickt ist, und halten daher den gesamten Begriff für Unsinn. Dabei muß man mit dem Begriff Unabhängigkeit vermutlich ebenso wie mit dem Begriff Freiheit vorsichtig umgehen, auch von einer totalen Freiheit eines einzelnen oder einer Gruppe wird man niemals sprechen können. Freiheit wie Unabhängigkeit lassen sich nur graduell verwirklichen. Univ.-Prof. Dr. Ulrich Sa- xer, einer der Referenten bei der eingangs zitierten Tagung, umschreibt dies so: „Praktisch unabhängig sind also solche Medien, die ihre innenpolitischen Themen ohne allzu große Rücksichten auf Parteien und Behörden, ihre Präsentationsweisen ohne allzu tiefe Verbeugung vor den kulturellen Gralshütern und ihre Publika ohne allzu große Angst vor den Tabellen der Werbewirtschaft auswählen können.“ Noch einfacher gesagt, wird von Unabhängigkeit eben dann zu reden sein, wenn in der Gestaltung der Aussagen eines Mediums ein hohes

Maß an Möglichkeit kritischer Auseinandersetzung (nicht ein tägliches Plansoll an Kritik) auch gegenüber den tatsächlichen’, oder vermuteten Hintermännern gegeben ist.

Diese so umschriebene, immer wieder neu zu erringende Unabhängigkeit stößt natürlich an manche Grenzen, äußere und innere. Äußere sind etwa Eingriffe des Staates, denn die Geschichte der Pressefreiheit ist die Geschichte der Erringung der Unabhängigkeit vom Staat. Heute sind in den westlichen Demokratien weniger die unmittelbaren Eingr iffe des Staates zu fürchten, wohl aber die Gefahren, die zum Beispiel in einer nicht streng an objektive Kriterien gebundenen Presseförderung liegen können. Hiezu nochmals Saxer: „Staatliche Korrekturmaßnahmen jedweder Art binden hinwiederum die Presse in schwer kontrollierbarem Maß an das politische System und die augenblickliche politische Machtkonstellation, die die Presse doch gerade publizistisch kontrollieren soll.“ Zweifellos kann der Staat nicht nur durch gezielte Förderungsmaßnahmen das Entstehen, Bestehen und Verschwinden von Medien beeinflussen, allein die bloße Möglichkeit solcher Beeinflussung könnte schon verhaltensverändernd für die Schreibweise einer Zeitung sein. (So zumindest haben linke Medientheoretiker immer im Fall eines Eigentümerwechsels bei einer Zeitung argumentiert, um den schon durch die bloße Anwesenheit des neuen Eigentümers gegebenen Druck auf die Redakteure zu begründen, ohne daß dieser neue Eigentümer bereits konkrete Anweisungen gegeben hätte.)

Neben dem Staat sind heute aber als mögliche Einflüsse auf die Unabhängigkeit der Medien auch jene gesellschaftlichen Kräfte zu nennen, die es theoretisch und praktisch auf eine Veränderung des Gleichgewichtes der Funktionen in der Zeitung Herausgeber/Verleger - Redakteur - Leser an- legen. Wenn dieses Gleichgewicht der Funktionen beispielsweise einseitig in Richtung Redakteur verschoben werden soll - etwa bei einer möglichst weit ausgebauten, sogenannten „inneren Pressefreiheit“, bei der der Redakteur allenfalls auch ohne Rücksicht auf die Zielsetzung des Blattes, der er sich bei seiner Anstellung untergeordnet hat, schreiben können soll -, so kann dies nicht ohne Einfluß auf die Unabhängigkeit des Mediums bleiben. Oder wenn - wie dies in der Bundesrepublik Deutschland beim letzten Druckerstreik, in Frankreich und England geschehen ist - in gewerkschaftlich bedeutsamen Fragen Druckereiarbeiter Zensur ausgeübt haben, so kann auch dies in der Betrachtung über die Unabhängigkeit nicht unberücksichtigt bleiben.

Wohl genügend bekannt, aber deshalb nicht zu vernachlässigen, sind all jene Versuche der Einflußnahme, die durch politische Parteien, Interessen gruppen und Inserenten erfolgen; ihrerseits legitime Versuche, für die Medien jedoch Prüfstein ihrer Unabhängigkeit.

Ein Phänomen, dem in den letzten Jahren erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken ist, ist jene Gefährdung der Unabhängigkeit der Medien, die aus ihnen selbst kommt, eine Folge des Konzentrationsprozesses und der Erscheinungen auf dem Weg zur Konzentration. Genannt seien nur drei Stichworte: Erbarmungsloser bis ruinöser Wettbewerb im Kampf um die’je höhere Auflage, Anpassung des Niveaus nach unten und totale Unterwerfung unter das Auflagendenken im Inseratengeschäft. Sämtliche drei Stichworte zeigen, daß bei ungebremster Ausnützung dieser Tendenzen letztlich nur wenige große (ein großer) überbleiben werden, die den Leser seiner Wahlmöglichkeiten, sich selbst aber aus der Eigengesetzlichkeit dieser Entwicklung der Unabhängigkeit berauben.

Angesichts dieser Erscheinungen erhebt sich die Frage, ist die Unabhängigkeit der Medien noch zu retten und wie kann der derzeitige Bestand abgesichert werden? Von Radikallösungen

- stellvertretend seien totale staatliche oder gesellschaftliche Kontrolle, ungehinderte Freizügigkeit der Redakteure, zwangsweise Abführung von Inserateneinnahmen in einen Insera- tenpool mit anschließender Umverteilung genannt - ist nichts zu halten, hier werden Abhängigkeiten in die eine Richtung von solchen in eine andere Richtung ersetzt.

Vielleicht können aber einige Prinzipien für die weitere Entwicklung nützlich sein:

• Unabhängigkeit der Medien ist notwendig nicht als Wert an sich, sondern im Interesse der Demokratie, deren stets zunehmender Verfilzungsprozeß für den Staatsbürger wenigstens einiger Ansatzpunkte für eine selbständige und objektive Beurteilung bedarf.

• Unabhängigkeit ist nur sinnvoll, wenn zugleich auch Medienvielfalt angestrebt wird, weil diese nicht nur die Vielfalt der Informationen garantiert, sondern auch das nötige Maß gegenseitiger Kontrolle bringt (die Veröffentlichung der Eigentumsverhältnisse im Konkurrenzblatt ist allemal noch wirksamer als die gesetzliche Verpflichtung, das im eigenen Blatt zu tun). Leser und Inserenten müssen daher in gleicher Weise an Vielfalt interessiert sein, letztere sollten dies unter Berücksichtigung ihrer langfristigen Interessen auch bei ihren Werbeentscheidungen bedenken.

• Unabhängigkeit der Medien fordert, daß die Funktionen in der Zeitung im Gleichgewicht erhalten bleiben; nur wenn keine der Funktionen ein alleiniges Übergewicht erhält, kann von Unabhängigkeit geredet werden.

• Unabhängigkeit verlangt schließlich klare Zielsetzungen hinsichtlich der publizistischen Aufgabe. Einer Unabhängigkeit, die nur als Basis für einen ausschließlich geschäftlichen Erfolg gesehen wird, fehlt vermutlich doch eine wesentliche Dimension. Wie hatte Günther Nennings Referat in Linz geheißen, das er allerdings nicht hielt? „Es gibt keine Unabhängigkeit der Medien! Es lebe die Unabhängigkeit der Medien!“ Im ungesagt Gebliebenen hatte er vielleicht recht.

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