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Unbeschwert durch Wälder und Auen ...

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Zeckenbisse sind gefährlich. Pas erkennen immer mehr Österreicher und lassen sich gegen „FSME“ impfen. Für eine solche Schutzimpfung ist jetzt die beste Jahreszeit.

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Zeckenbisse sind gefährlich. Pas erkennen immer mehr Österreicher und lassen sich gegen „FSME“ impfen. Für eine solche Schutzimpfung ist jetzt die beste Jahreszeit.

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Ein verregnetes oder bewölktes Wochenende im Sommer — gerade richtig zum Schwammerlsuchen und Wandern - bietet dem Naturfreund gleichermaßen beste Chancen für einen Zeckenbiß. Die Tiere saugen sich im Fleisch des Menschen fest und übertragen, falls sie infiziert sind, das söge-

nannte Frühsommer-Meningo-Enzephalitis-Virus (FSME-Vi-rus).

Dieses Virus vermehrt sich in den verschiedenen Organen der Zecke und wird von ihr mit dem Speichel ausgeschieden. Das Tier selbst bleibt dabei gesund, das Virus kann allerdings im Körper seines Wirtes auch den Winter überleben.

Wird der Mensch von dem Erreger befallen, dann tritt etwa eine Woche nach der Infektion eine grippeähnliche Erkrankung mit Fieber und möglichen katarrhalischen Erscheinungen auf, die allerdings bald wieder abklingt. Jeder dritte bis vierte bekommt dann innerhalb von vier Wochen nach dem Zeckenbefall die eigentliche Enzephalitis (Gehirnentzündung). Ihre wesentlichen Merkmale sind Kopfschmerzen, Erbrechen, Lähmungen und Muskelzucken. Ein bis zwei Prozent

der Erkrankten sterben, bei rund zehn Prozent bleiben Folgeerscheinungen wie Lähmungen, Kopfschmerzen oder starke Depressionen zurück.

Die FSME kommt praktisch in ganz Europa und in Teilen Asiens vor. In Österreich findet man in jedem Bundesland außer in Vorarlberg infizierte Tiere. Am stärksten betroffen sind die Steiermark (118 Fälle im vergangenen Jahr) und Kärnten (67).

Besonders große Bedeutung kommt deshalb einer vorbeugenden Impfung zu. Es ist einem Österreicher zu verdanken, daß wir seit zehn Jahren ein wirksames Mittel haben, das die Abwehrstoffe im menschlichen Körper aktiviert und ihn so vor einer Erkrankung schützt. Bereits 1973 hat der Wiener Virologe Christian Kunz einen sogenannten Tot-impistoff aus inaktivierten Viren entwickelt.

Dieser ist seit 1976 im Handel und wurde 1981 erstmals im Zuge einer Impfaktion österreichweit verwendet. Wie wirksam die vorsorgenden Maßnahmen bisher waren (auch heuer gibt es wieder eine Impfaktion), zeigen die Zahlen: Hatte man 1979 in ganz Österreich insgesamt 677 Fäll -von

FSME diagnostiziert, so waren es 1985 nur mehr 305. Kunz verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß früher viele Krankheitsfälle unerkannt blieben, während die Ärzte heute dem Virus gegenüber viel aufmerksamer geworden sind. Zudem schwankt die Aktivität der Zecken von Jahr zu Jahr, wobei diese Gliederfüßler eher feuchte und kalte Sommer lieben.

Beeindruckend ist auch das starke Ansteigen der Impfbereitschaft der Österreicher. Waren 1979 hierzulande nur 250.000 Personen gegen FSME geimpft, so re-

gistrierte man für 1985 2,6 Millionen Menschen, die vollen Schutz gegenüber der Erkrankung besaßen. „Man nimmt an“, so Kunz, „daß etwa fünf Millionen Österreicher zumindest zeitweise der Gefahr einer Infektion ausgesetzt sind. Die Hälfte davon ist bereits geimpft.“

Der Impfstoff ist für jeden ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis ins hohe Alter gut verträglich und zeigt praktisch keine Nebenwirkungen. „Man sollte sich zu Beginn des Jahres das erste Mal und frühestens zwei Wochen darauf das zweite Mal impfen las-

sen“, empfiehlt der Virologe. „Etwa acht Tage später ist man meist schon fast hundertprozentig geschützt. Die dritte Impfung im darauffolgenden Jahr garantiert dann die vollständige Immunisierung für mindestens drei Jahre.“

Eine FSME-Impfung kostet derzeit 225 beziehungsweise 175 Schilling (50 Schilling werden von der Krankenkasse rückerstattet). Für Land- und Forstwirte und deren Angehörige ist sie kostenlos, da diese Personengruppe als besonders gefährdet gilt.

Gibt es eine Möglichkeit, auch im nachhinein, also nach dem Zeckenbefall, das Virus wirksam zu bekämpfen? Kunz: „Innerhalb von vier Tagen nach dem Waldbesuch kann sich der Betroffene ein Antiserum, ein sogenanntes Immunglobulin, injizieren lassen. Dieses Mittel, das aus der Blutflüssigkeit von schon geimpften Personen besteht und deshalb bereits fertige Abwehrstoffe beinhaltet, ist allerdings nicht so zuverlässig wie die vorbeugende Impfung.“

Es erscheint nicht nur den Laien sonderbar, daß eine solche Behandlung zur Gänze von der Krankenkasse bezahlt wird, während der voraussichtige und vorsorgende Österreicher in die eigene Tasche greifen muß.

„Man kann behaupten“, so Kunz, „daß wir ohne Impfung mehr als doppelt so viele Fälle von FSME zu verzeichnen hätten. Dennoch müssen die Bevölkerung und im besonderen die Risikogruppen noch stärker als bisher über die Notwendigkeit einer Vorbeugung aufgeklärt werden.“ Erst dann werden wir uns wieder unbeschwert in Wäldern und Auen aufhalten können, ohne gravierende Folgen befürchten zu müssen. — —

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