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Und abends Merkur

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Auch wenn der Erste Direktor, . Hermann Fillitz, Ende März offiziell und in Groll das Haus ver- lassen hat und sein Sessel nach wie vor unbesetzt geblieben ist, werden unter der interimistischen Ge- schäftsführung von Georg Kugler im Wiener Kunsthistorischen Mu- seum Zukunftspläne geschmiedet und die Sanierungsarbeiten mög- lichst vorangetrieben. Ein von Frustrationen begleitetes Unterfan- gen, weil das vom Wirtschaftsmini- sterium bestellte Bauunternehmen immer wieder mit Terminverschie- bungen aufwartet. Hinzu kommt,

daß derzeit noch jede Sonderaus- stellung wegen des Fehlens einer eigenen Ausstellungshalle zeitauf- wendiges Aus- und Einräumen der ständigen Schaubestände notwen- dig macht. Nach neunzehnmonati- ger Schließzeit konnte aber immer-

hin die Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe wieder geöffnet werden.

Voraussetzung dafür bildete die Installation von Fensterdichtungen und lichtfilternden Fensterfolien sowie von Klima- und Beleuch- tungsanlagen. Mit diesen Ar- beiten war nach Beendigung der Ausstellung „Prag um 1600- Kunst und Kul- tur am Hofe Rudolfs II." und dem Abtrans- port der Leih- gaben im Fe- bruar 1989 be- gonnen worden.

Jetzt präsen- tiert sich die um einen Saal ver- größerte Samm- lung übersicht- licher als früher und die Objekte sind so aufge- stellt, daß der Museumsbesu- cher sie von al- len Seiten be- trachten kann. Davon profitie- ren zumal die einzeln ausge- stellten Stücke wie der hoch- mittelalterliche Kelch aus Stift Wilten, der bur- gundische Pokal Friedrichs III., das als Saliera bezeichnete Salzgefäß von Benvenuto Cel- lini mit der alle- gorischen Dar- stellung des Pla- neten Erde, der fliegende Mer- kur von Jean Boulogne, ge- nannt Giambo- logna, die Sey- chellennuß- Kanne von An- ton Schwein- berger und die Marmorbüste der Isabella von Aragon von Francesco Lau- rana.

Außerdem holte Manfred Leithe-Jasper, der Leiter der Abteilung, eini- ge Objekte aus dem Depot und aus der Sekun- därgalerie. Dazu gehört beispielsweise der Mömpel- gartner Flügel- altar, ein Hauptwerk der Reformations- kunst aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhun- derts. Nicht zu- letztschmücken die Wände der Sammlung nun auch Tapisse- rien und Gemäl- de, um deutlich zu machen, daß die verschiede- nen Kunstgat- tungen eine Ein- heit bilden.

Nicht kom- plett fertig ge- worden ist we- gen des nach wie vor bloß auf dem Papier behobe-

nen, de facto aber gleichgebliebe- nen Personalmangels die mehr In- formation bietende und auf jüng- sten Forschungsergebnissen basie- rende Beschriftung der gereinigten Objekte. Die vielpropagierten Abendöffnungen des Hauses fin- den deshalb in der Plastiksamm- lung erst ab 4. Mai an jedem zwei- ten Freitag zwischen 19 und 21 Uhr statt.

Im Hauptgebäude am Ring wer- den jetzt die Sanierung des Glasda- ches sowie die Klimatisierung der Gemäldegalerie fortgesetzt. Für die Dauer von je einem halben Jahr bleibt die Gemäldegalerie jeweils

zu einem Viertel gesperrt, wovon zur Zeit die Räume mit den Werken der späten Italiener und Spanier betroffen sind. Einige der wichtig- sten Bilder hat man für diese Zeit in die Säle mit den Gemälden der Niederländer gehängt.

Da das mit den laufenden Sanie- rungsarbeiten beauftragte Bauun- ternehmen außerstande ist, paral- lel an mehreren Stellen zu arbeiten, stockte die im Zusammenhang mit der „Giulio Romano"- Ausstellung gestartete Umgestaltung der Säle der Waffen- und Rüstkammer in der Neuen Hofburg. Wenn außer- dem tatsächlich die für Juni ange- kündigte Anatolien-Ausstellung aus Kanada statt im Wiener Künst- lerhaus in den Räumen der Neuen Hofburg stattfindet, kann vermut- lich der Zeitplan für eine etappen- weise durchgeführte, in drei Jah- ren beendete Neuaufstellung der weltweit bedeutendsten Sammlung von Harnischen und Prunkwaffen nicht eingehalten werden.

Für die Wiedereröffnung der seit September 1988 nicht mehr zugäng- lichen Sammlung alter Musikin- strumente wurde ein Limit gesetzt: mindestens vier von insgesamt zehn Räumen müssen zugänglich sein. Direktor Gerhard Stradner hat nach dem Auftreten von Holzschä- den an kostbarsten Exponaten sämtliche Instrumente in einen Saal abtransportieren lassen, in dem die zum Teil aus der Renaissance stam- menden Lauten, die alten Cembali, Spinette, Klavichorden sowie mo- derne Konzertflügel keinen gefähr- lichen Temperaturschwankungen mehr ausgesetzt sind. Anläßlich des Mozart-Jahres ist eine Sonderaus- stellung geplant, die der Klangwelt des späten 18. Jahrhunderts gewid- met ist und mit hochkarätigen Matineen unter Nikolaus Harnon- court und dem Ensemble „Mosaik" gekoppelt sein wird. Bis 28. April 1991 hat demnach nicht nur der Marmorsaal mit seinen schönen alten Lustern in neuem Glanz zu erstrahlen.

Bis zu diesem Zeitpunkt muß wenigstens ein Teil der unter Kai- ser Franz Joseph nicht mehr fertig- gestellten, nach 1945 bloß notdürf- tig eingerichteten Zimmerflucht auf der Burggartenseite mit Feuermel- deanlagen und Luftbefeuchtern ausgestattet, die Fenster mit Folien beschichtet.beziehungsweisedurch Jalousien abgeschirmt sein. Mittels 100 originalen Instrumenten sowie dank zahlreicher Noten- und Hör- beispiele soll dann vorgeführt wer- den, wie sich während Mozarts Schaffensperiode das Klangideal verändert hat, um in einer zuneh- menden Bevorzugung italienischer Violinen zu münden.

Nach dem Ende der bis Oktober 1991 projektierten Schau wird die Musiksammlung neuerdings ge- sperrt, damit sämtliche Räume die entsprechenden Sicherheitseinrich- tungen erhalten. Vorgesehen ist zudem die Etablierung einer für alle Interessenten geöffneten Stu- diensammlung

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