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Undurchschaubare Kommunisten

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Die mitunter abrupten Kehrtwendungen der Kommunistischen Partei Frankreichs in politischen Sachfragen geben immer wieder zu allerlei Spekulationen Anlaß.

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Die mitunter abrupten Kehrtwendungen der Kommunistischen Partei Frankreichs in politischen Sachfragen geben immer wieder zu allerlei Spekulationen Anlaß.

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Frankreichs kommunistische Partei verfügt zusammen mit ihren zahlreichen Nebenorganisationen über einen wirkungsvollen und weit verzweigten Apparat, der die Führung im allgemeinen zuverlässig über die Volksstimmung unterrichtet. Wiederholt hat deswegen in entscheidenden Augenblicken die Partei besser reagiert als ihr sozialistischer Partner.

Bemerkenswerteste jüngste Beispiele waren ihre plötzliche Billigung der atomaren Rüstung und ihre kräftige Unterstützung der Kernenergiepolitik - beides zu einem Zeitpunkt, zu dem die Sozialisten noch erheblich zögerten.

Ausschlaggebend war für die Kommunisten die positive Einstellung der öffentlichen Meinung, der sie sich in Abkehr früherer Thesen geschmeidig anpaßten. Wiederholt sind sie aber auch demonstrativ gegen den Strom geschwommen, zweifellos absichtlich und in genauer Kenntnis der Verhältnisse.

Einen Höhepunkt erreichte ihre negative Taktik mit der Billigung der Militärdiktatur in Polen. Sie begaben sich zusammen mit ihrer Gewerkschaft CGT in Abseitsstellung und isolierten sich sogar gegenüber den meisten, anders reagierenden, westeuropäischen kommunistischen Parteien, dies ohne Rücksicht auf ihre Beteiligung an der französischen Regierung, die die brutale Beendigung des polnischen Demokratisierungsprozesses entschieden verurteilte und dabei mit der Billigung des überwiegenden Teils der öffentlichen Meinung rechnen durfte.

Wieder einmal fühlten sich die französischen Kommunisten verpflichtet, die Sowjetunion vorbehaltlos zu unterstützen. Nur so vermag ihr Verhalten in der Polenkrise gedeutet zu werden. Weshalb sie deswegen ein erhebliches innenpolitisches Risiko eingehen, vermag niemand mit Gewißheit zu erklären. Man ist daher auf eine Reihe von Vermutungen angewiesen.

Zunächst kann man feststellen, daß es in der Geschichte der französischen kommunistischen Partei an taktischen Kehrtwendungen nicht gemangelt hat. Nicht selten führten sie zu fühlbaren Stimmenverlusten. Diese Krisenerscheinungen wurden aber anschließend stets mehr oder weniger kurzfristig überwunden.

Die Sowjethörigkeit besaß fast nie langwierige ungünstige Auswirkungen. Die offene Billigung des Paktes zwischen Hitler und Stalin 1939 hinderte die Kommunisten nicht daran, nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs als stärkste Partei in das französische Parlament einzuziehen. Anschließend nahmen sie die Ver-. brechen Stalins, die sowjetischen Tanks in Budapest fast wohlwollend hin, ohne dadurch fühlbar geschwächt zu werden.

Die KPF bewahrt auch heute ihre Eigenständigkeit, die sie durch ihre Haltung in der Polenkrise wohl absichtlich herausstellte, während schon vorher die von ihr manipulierte Gewerkschaft geschickt mit den Streichhölzern der Opposition spielte. Zwar nicht gegenüber der öffentlichen Meinung, aber in der politischen Kulisse verbergen übrigens die linken Koalitionspartner keineswegs ihre Karten.

Die Sozialisten verhehlen nicht ihre Absicht, die kommunistische Partei weiter zu schwächen. Der kommunistische Staatsminister Fitermann nannte seinerseits in Rom in einem Gespräch mit seinen italienischen Genossen Mitterrand einen Verräter.

Die französischen Kommunisten glauben fest und steif an den sicheren Triumph der Weltrevolution. Im Gegensatz zu allen anderen politischen Kräften haben sie es nicht eilig. Sie warten auf ihre Stunde, d. h. als nächste Etappe auf den ihrer Uberzeugung nach unvermeidlichen Fehlschlag Mitterrands.

Die Außenpolitik ist für sie belanglos, den entscheidenden Faktor sehen sie in der sozialen Lage. Arbeitslosigkeit, Inflation und sinkende Kaufkraft werden ihnen, so glauben sie, die verlorenen Wähler zurückbringen.

Inzwischen muß die Partei straff und hart geführt werden. Wer sich nicht der Disziplin unterwirft, wird ausgeschlossen. Die gelegentliche Unzufriedenheit oder Entmutigung der Mitglieder spielt keine Rolle, solange die Führung den Apparat fest in der Hand hat. Es genügt ein kleiner zuverlässiger Kern, um im entscheidenden Augenblick eine günstige politische Konjunktur auszubeuten.

Dafür bedarf es einer revolutionär orientierten Partei, die nach dem sozialistischen Fehlschlag als einzig glaubwürdige Kraft der Opposition verbleibt. Die Versteifung der Parteiführung verband sich in der Vergangenheit stets mit einer Annäherung an Moskau, wohl weil bei revolutionärer Orientierung auf das große sozialistische Modell nicht verzichtet werden kann.

Es ist aber nicht zu verkennen, daß außenpolitisch Frankreichs kommunistische Partei stets auf der sowjetischen Linie lag, selbst in Perioden gewisser ideologischer Spannungen zwischen Paris und Moskau, das z. B. gegen die Linksunion und auch gegen die kommunistische Regierungsbeteiligung Stellung nahm. Daher könnte ein Pakt zwischen der Sowjetunion und der Partei bestehen, wonach die französischen Kommunisten innenpolitisch Bewegungsfreiheit besitzen, auf der internationalen Ebene den großen Bruder jedoch bedingungslos unterstützen.

Es ist aber rätselhaft, weshalb die französischen Kommunisten im Gegensatz zu den italienischen und den spanischen auf diesen Pakt angewiesen sind. Vielleicht spielen finanzielle Gründe eine Rolle.

Die französische Partei besitzt direkt oder indirekt einige sehr gewinnbringende Osthandelsgesellschaften, die die Sowjetunion jederzeit auf ein Nebengeleis schieben könnte, falls das Pariser Politbüro in der Außenpolitik eigene Wege gehen sollte. Dadurch würde ihre schon sehr angespannte Finanzlage schnell katastrophal.

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