6894780-1980_07_04.jpg
Digital In Arbeit

(Un)erwünschte Außenseiter

19451960198020002020

Der abgedankte FPÖ-Obmann Alexander Götz und zigtau-send Gastarbeiter haben eines gemeinsam: ihr Lieblingsaufenthaltsort in der Bundeshauptstadt ist der Wiener Südbahnhof. Doch während der Grazer Kurzzeit-Bundespolitiker eine Beschäftigung in Wien als Belastung empfand, lastet auf den Gastarbeitern die Angst, plötzlich ohne Beschäftigung in Wien dazustehen, abgebaut zu werden.

19451960198020002020

Der abgedankte FPÖ-Obmann Alexander Götz und zigtau-send Gastarbeiter haben eines gemeinsam: ihr Lieblingsaufenthaltsort in der Bundeshauptstadt ist der Wiener Südbahnhof. Doch während der Grazer Kurzzeit-Bundespolitiker eine Beschäftigung in Wien als Belastung empfand, lastet auf den Gastarbeitern die Angst, plötzlich ohne Beschäftigung in Wien dazustehen, abgebaut zu werden.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Gastarbeiterabbau ist hierzulande ein Instrument der sogenannten Vollbeschäftigungspolitik. Die letzthin noch für unsere Wohlstandsmehrung sehr erwünschten hilfreichen Hände gehören heute teilweise schon wieder unerwünschten Außenseitern. Dabei wissen wir alle: Ohne Gastarbeiter wäre eine gedeihliche Weiterentwicklung unserer Wirtschaft kaum möglich.

„Wir haben", wollen sich aufmerksame Beobachter der parlamentarischen Geschehnisse noch heute an eine Aussage des damaligen Sozial-, ministers Rudolf Häuser aus dem Jahre 1975 erinnern, „keine Arbeitsmarktprobleme - denn wir können ja immer noch die Gastarbeiter heimschicken." Und dessen Nachfolger Gerhard Weissenberg erklärt laut einer Dokumentation des österreichischen Bundesjugendringes auf die Frage nach der Vereinbarkeit von internationaler sozialistischer Theorie und ständigem Auf und Ab bei der Zahl der in Österreich arbeitenden Ausländer, daß es die heimische Bevölkerung kaum verstehen würde, wenn...

Der Hinweis auf die Sozialistische Internationale ist es wert, näher begutachtet zu werden: Denn bereits im Jahr 1889 forderte ein Kongreß der Internationale in Genf in einer Deklaration die volle Gleichberechtigung und Gleichstellung ausländischer mit einheimischen Arbeitern.

Diese ist freilich neunzig Jahre später in Österreich bestenfalls ein frommer Wunsch von Betroffenen und Sozialarbeitern. „Die Österreicher", klagte schon 1978 Alfred De-mon vom „Bund Europäischer Jugend", „sind verdammt nationalistisch." Womit auch schon ein wenig der Grund der Verständnislosigkeit offenbar wird, der auch soziales Empfinden widerspiegelt: die Österreicher haben es bereits „geschafft", sie sind jemand. Die anderen aber sollen ruhig dort bleiben, wo sie bisher waren: unten.

„Unten" im Sinn von „unten", südlich auf der Landkarte, und leider auch im Sinn von „unten" in den Lebenschancen.

Das beginnt bei den angebotenen minderqualifizierten Arbeitsplätzen, wo die Palette vom Hausbesorgerdasein über Straßenkehrer und Hilfsarbeiter am Bau bis zum „Packelschup-fer" reicht, wobei die Arbeitgeber nach jeweils zwölf Monaten Dienstverhältnisse neu bestätigen müssen. Und das setzt sich bei sprichwörtlichen „Löchern" als Unterkünften fort, die - bar jedweder sanitärer Einrichtung - auf knappen 50 Quadratmetern bis zu zehn und mehr Personen als Unterschlupf und Fluchtort dienen.

Und das endet schließlich bei dfer Stellung eigentlich nicht inner-, sondern außerhalb der Gesellschaft: Denn weil „Kolaric" laut Vorurteil ein „läuter", „schmutziger", „aufdringlicher" und „betrunkener" Mensch ist, wird er wie ein Aussätziger behandelt. Wird er aber derart abgestempelt, dann wird er laut, aufdringlich und sucht seine Einsamkeit, seinen Kummer vielleicht auch allabendlich hinunterzuspülen.

Und nicht wenige Österreicher meinen dann noch, daß „die Leute froh sein sollen, wenn s' bei uns arbeiten dürfen". Sonst sollen sie sich aber möglichst wenig blicken lassen: Gastarbeiterklubs, Gastarbeiterkinos etwa fehlen ebenso wie Versuche, Fremde und Heimische zusammenzubringen, um Verständnis und Verstehen zu fördern - kein Wunder, wo's doch für Gastarbeiter nicht einmal geförderte Möglichkeiten gibt, sich grammatikalische Grundbegriffe unserer Sprache anzueignen.

Das läßt darauf schließen, daß das vielgepriesene „schwedische Modell" hierzulande entweder nur unvollständig bekannt oder aber doch nicht so nachahmenswert ist: Denn die Skandinavier gestehen Fremdarbeitern nicht nur das Kommunalwahlrecht zu, sondern auch so nützliche Dinge wie etwa Sprachkurse im Rahmen der Arbeitszeit.

Und während die französische Regierung den geplanten Hinauswurf von einigen tausend ausländischen Arbeitnehmern mit einem Streikaufruf der Gewerkschaft bezahlte, exportiert Österreich neben verschiedensten Gütern auch Arbeitslose. Dem Phänomen der „importierten Arbeitslosigkeit" stehen die Regierungen Südeuropas schon seit Jahren hilflos gegenüber; die vor ihrem Auslandsaufenthalt größtenteils in der Landwirtschaft latent unter-schäftigten Bürger wollen nämlich nach ihrer Rückkehr nicht mehr an die ursprüngliche (Un)Tätigkeits-stätte zurück. -

So hat jeder seine Sorgen: Die einen, noch hier verbliebene Gastarbeiter, diskutieren sie Sonntag für Sonntag in der sterilen Gemütlichkeit der Bahnhofshallen. Und die anderen, sich belästigt fühlende Österreicher, zählen ebendort die beieinanderstehenden Menschengruppen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung