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Ungarn unter großem Druck
Sollte die slowakische Drohung wirklich wahr sein, dürfte es sich um eine beispiellose Erpressung zwischen zwei Staaten handeln. Mit der Inbetriebnahme des Donau-Staustufenprojektes von Gabcikovo-Bös soll ja Ungarn zur Fertigstellung des entsprechenden Gegenstückes bei Nagymaros nördlich von Budapest gezwungen werden.
Sollte die slowakische Drohung wirklich wahr sein, dürfte es sich um eine beispiellose Erpressung zwischen zwei Staaten handeln. Mit der Inbetriebnahme des Donau-Staustufenprojektes von Gabcikovo-Bös soll ja Ungarn zur Fertigstellung des entsprechenden Gegenstückes bei Nagymaros nördlich von Budapest gezwungen werden.
Die bevorstehende Umbettung des Grenzflusses bedeutet für Ungarn nicht nur territoriale Verluste, sondern auch die Gefährdung beträchtlicher Trinkwasserreserven sowie der Flora und Fauna in der nordwestlichen Region des Landes. Da das slowakische Projekt ohne das Schleusensystem auf der ungarischen Seite auch nichts taugt, könnte beispielsweise ein Hochwasser ganze Bezirke Budapests innerhalb weniger Stunden überfluten.
Der Vertrag über den Bau zweier Wasserkraftwerke an der Donau wurde - allerdings ohne Kündigungsklausel - noch von den Kommunisten im Jahre 1977 unterzeichnet. Unter dem Druck der gegen die verheerende Umweltzerstörung protestierenden Öffentlichkeit ist die ungarische Regierung vor drei Jahren von der Fertigstellung des eigenen Projektes bei Nagymaros zurückgetreten.
Die Slowaken haben auf ihrer Seite weitergebaut und nicht einmal verheimlicht, daß mit der Inbetriebnahme von Gabcikovo-Bös die andere Seite „zur Vernunft gebracht werden soll". Die Kündigung des Vertrages seitens der Ungarn sei wider das internationale Recht und habe somit keine Gültigkeit.
Jözsef Aritalls christlich-nationale Koalition ist jedenfalls anderer Meinung; um so unverständlicher dürfte es sein, daß bei Gaböikovo-Bös der Kieselstein zur Auffüllung des alten Donaubettes bis zum heutigen Tag aus einer Grube diesseits der ungarischen Grenze geliefert wird. Hinzu kommt aber auch noch, daß die Regierung in den vergangenen zwei Jahren die halbfertigen Anlagen bei Nagy-' maros nicht nur nicht beseitigen, sondern auch stets pflegen und warten ließ - angeblich, um weitere Umweltzerstörungen zu vermeiden. Erst vor wenigen Wochen ist ein Plan beschlossen worden, der die Wiederherstellung des natürlichen Zustandes der Region ab Frühjahr 1993 vorsieht.
Nun stellt sich die Frage, ob hier wirklich mit offenen Karten gespielt wird. Jedesmal, wenn die slowakische Seite ihre Entschlossenheit ge-
äußert hat, Budapest notfalls auch zu erpressen, hieß es, man werde sich an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag wenden. Bei den Erklärungen ist es auch stets geblieben. Die ungarische Regierung hat sich in den vergangenen zehn Monaten, also im kritischsten Stadium der Bauarbeiten, insgesamt zweimal die Mühe gemacht, eigene Vertreter nach Gab-dikovo-Bös zu schicken, um sich vom Stand der Dinge zu überzeugen.
Es sind freilich mehrere Gespräche mit dem slowakischen Partner geführt worden; ungarischerseits hieß es dann, man schätze die Verhandlungen sehr hoch ein, die Slowaken beteuerten ihren besten Willen und sind mit den Bauarbeiten fortgefahren.
„Nur ein Blinder kann nicht sehen, was hier gespielt wird", meint ein Umweltschützer. Doch Beweise kann er nicht vorlegen. Die Frage, warum die EG erst jetzt um Vermittlung gebeten wird, ist freilich berechtigt; ein Vorbote der Gemeinschaft konnte neulich in Gabßikovo die Leitungsanlagen bewundern, über die Strom nach Ungarn geliefert werden soll.
Es ist eigenartig, daß von der bevorstehenden Inbetriebnahme jene Länder, die davon ebenfalls betroffen wären, noch nicht einmal unterrichtet worden sind. Die Umbettung der Donau würde nämlich auch den Schiffsverkehr auf dem kürzlich eröffneten Rhein-Main-Donau-Kanal für Wochen lahmlegen.
Steht die Budapester Regierung vor vollendeten Tatsachen oder handelt es sich tatsächlich um den Versuch, das Gesicht zu wahren - mit der Behauptung, sie hätte angesichts des Druckes keine andere Wahl, als die Fertigstellung der Schleusen bei Nagymaros anzuordnen? Der jüngste Vorschlag Gyula Horns, der als Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses für Außenpolitik den KSZE-Krisenmechanismus in Gang setzen wollte, ist von ihr jedenfalls überhört worden.
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