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Ungarn wurde von Geldwäschern entdeckt

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Die internationale Bankenwelt schlägt Alarm: Ungarn ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten für Fluchtgelder und Geldwäscher?

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Die internationale Bankenwelt schlägt Alarm: Ungarn ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten für Fluchtgelder und Geldwäscher?

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Nachdem in der Schweiz, in Österreich und Luxemburg, den bisherigen europäischen Hochburgen für anonyme Sparkonten, die Anlagebedingungen eingeschränkt und die polizeiliche Überprüfung anonymer Geschäftskonten bei Verdachtsmomenten, es handle sich um Fluchtgelder, erleichtert wurden, entdecken Geldwäscher nun ein neues Schlupfloch: Osteuropa - vor allem Ungarn.

Denn allgemein gilt in den neuen Demokratien Osteuropas: Die einst kommandowirtschaftlich geführten, heute bankrotten Staatsbanken haben freie Hand bei der Kapitalbeschaffung. Wichtig ist nur, daß sie überhaupt Kapital ins Land bringen. Dafür wirbt seit Monaten die ungarische Sparkasse OTP in westlichen Bankzeitschriften mit der Anzeige: „Unsere Bank - ihr Freund. Unsere Devisenkonten sind besonders geschützt und bestens geeignet für Geldtransfers". Ein Service, der für die amerikanische Drogenbehörde DEA und die EG-Kriminalbehörden zu weit geht. Nach einem Bericht des „Wall Street Journal" untersuchen derzeit Bankexperten aus New York und Brüssel in Budapest Möglichkeiten, wie man in der jungen Demokratie illegalen Geldwäschern das Handwerk legen könne.

Aufgrund seiner geografischen Lage gilt Ungarn allgemein für die meisten westlichen Investitoren als Ausgangspunkt für Unternehmungen in Osteuropa. Sie bringen Devisen, die schon in Budapest zu einem günstigen Umtauschkurs in andere osteuropäische Währungen getauscht werden können. Umgekehrt versuchen zahlreiche Firmen und Banken aus der ehemaligen Sowjetunion erstmals an der Donau Fuß zu fassen, um dann in einem zweiten Schritt in Westeuropa zu investieren. Durch diese Investitoren fließt eine Menge osteuropäischer Währungen ins Land, im internationalen Geldverkehr wertloses Geld. Doch niemand fragt in Ungarn danach, wer, warum, wieviel Transferrubel in Dollar und umgekehrt umtauschen möchte.

„Man kann diesen Markt auch nicht kontrollieren, diese Gelder stammen meistens aus der Schattenwirtschaft und dort herrschen ganz andere Regeln", versucht es György Nanovfsz-ky, Direktor des Budapester World Trade Center zu erklären. Die neuen Demokratien in Osteuropa übernähmen das schwedische Steuermodell bei albanischen Einkommen, bemerkt der Manager spöttisch, und da sei es doch klar, daß jeder Geschäftsmann an den Finanzbehörden vorbei zu wirtschaften versuche, zumal man außerdem über eine lange Tradition der Schwarzarbeit und des Schwarzmarktes verfüge. Ein Phänomen, das nicht nur auf private Händler, sondern selbst auf große Staatsfirmen zutrifft, die sich nicht selten auch an Schatten-wirtschafts-Geschäften beteiligen.

Bekanntlich war noch vor wenigen Jahren in den Ländern Osteuropas selbst der Besitz ausländischer Währungen strafbar, Privatuntemehmen nur in Ausnahmefällen zugelassen. Doch wer konnte, legte schon damals sein Erspartes, aber auch seine Einkünfte durch Schwarzarbeit und Schwarzhandel, in westlichen Devisen an, um so der rasanten Geldentwertung der heimischen Währung vorzubeugen. Das Geld lag auf keiner Bank, sondern buchstäblich unter den Kopfkissen der Menschen. Um nun an dieses „verborgene" Vermögen heranzukommen und in den neuen Bankkreislauf einzugliedern, kam und kommt es immer wieder zu offiziellen „Eintausch-Aktionen". So derzeit in der Ukraine und Albanien, wo jeder Bürger anonyme Spar- und Devisenkonten anlegen kann, ohne daß er gefragt wird, woher das Geld denn eigentlich stammt.

Ähnliche Geldwasch-Aktionen gab es im letzten Jahr in Rumänien und Bulgarien, ein Jahr zuvor in Polen, der CSFR und Ungarn. Allein in

Ungarn kamen 1990 bei einer solchen Aktion nach Auskunft der Ungarischen Zentralbank 1,7 Milliarden Dollar zum Vorschein. Wie man heute zu wissen glaubt, stammt ein Teil dieses Geldes nicht von ehrlichen Bürgern, sondern von internationalen Drogen- und Waffenkartellen, die sich ungarischer Mittelsmänner bedienten. Nach Angaben der amerikanischen Drogenbehörde DEA sei es beispielsweise durch Fahrlässigkeit der ungarischen Behörden dem bekannten „Cali-Drogen-Kartell" aus dem Bundesstaat Columbia gelungen, in Budapest mindestens 2,5 Milliarden Dollar rein zu waschen.

Das offizielle Ungarn versucht solche Anschuldigungen abzuschwächen. So beteuerte beispielsweise der Direktor der Budapester „Zentral-Europa Bank", György Suranyi, in einem Interview, seine Bank verständige bei jedem Verdacht, Fluchtgelder sollten über sein Finanzinstitut reingewaschen werden, umgehend die Polizei. Und Miklös Pulai, Generalsekretär der „Ungarischen Bankiers-Vereinigung" meinte, Ungarn werde doch nicht seinen guten wirtschaftlichen Ruf verspielen, denn langfristig wolle man Teil der EG werden und so kämen für die Bankiers nur seriöse Geschäfte in Frage. Wie schwer dies aber in einer Region ist, in der erst noch moderne Markverhältnisse geschaffen werden müssen, spricht Bela Kädär, Minister für internationale Wirtschaftsbeziehungen in einem Gespräch mit dem „Wall Street Journal" offen aus: „Eine Schattenwirtschaft ist noch immer besser als gar keine Wirtschaft". Für ihn sind die Möglichkeiten, in Osteuropa Geld zu waschen nur von vorübergehender Dauer. Wenn die modernen Marktgesetze erst einmal Fuß gefaßt hätten, dann ließen sich solche Lücken im Bankgeschäft ebenso schließen, wie mit einem modernen Steuersystem die Schattenwirtschaft und der Schwarzmarkt ausgehoben werden könnten.

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