7037236-1990_02_03.jpg
Digital In Arbeit

Ungarns Armee speckt ab

Werbung
Werbung
Werbung

Ungarns Armee soll in den kom- menden Jahren zahlenmäßig wei- ter schrumpfen. Zur Zeit besteht die Armee, die offiziell noch immer nach sowjetischem Muster „Volks- armee" genannt wird, aus 106.000 Mann. Bis Ende 1991 will man sie auf 71.000 Mann reduzieren.

Desgleichen ist eine Reorganisa- tion der Grenztruppen geplant. Vorläufig unterstehen diese Trup- pen noch dem Innenministerium. Bis 1995 will man diese Waffengat- tung in ihrer heutigen Form auflö- sen. Dann sollen Berufs-Grenz- wächter Ungarns Grenzen sichern.

Ende 1989 wurde eine Anzahl hoher Offiziere in den Ruhestand geschickt - darunter nicht weniger als 17 Generale. Laut Anordnung der Regierung sind inzwischen auch die KP-Grundorganisationen in der Volksarmee aufgelöst: 186 Partei- funktionäre, die ihr Gehalt aus dem Militärbudget erhalten haben, wurden entlassen. Das ungarische Verteidigungsministerium selbst wird in Kürze reorganisiert.

Sein bisheriges Tätigkeitsfeld wird zweigeteilt: Das Ministerium mit einem Arbeitsstab von rund 15 0 Personen, wird in erster Linie die mit der Landesverteidigung zusam- menhängenden Führungs- und Verwaltungsarbeiten ausführen, während ein neu geschaffenes Oberkommando - an der Spitze ein General als Oberkommandierender der Volksarmee - rein militärische Aufgaben zu übernehmen hat.

Zur Zeit sind Untersuchungen im Gange, um Korruptionsaffären der alten militärischen Führung, die unter Jänos Kädär jahrzehntelang uneingeschränkt die Volksarmee bescherrschte, aufzudecken. Über ihre Machenschaften ist unlängst in Budapest aus der Feder eines Obersten ein aufschlußreiches Buch publiziert worden mit dem Titel: „Kleinkönige in Uniform".

Obwohl die j etzige Armeeführung - Verteidigungsminister General Ferenc Kärpäti war früher jahre- lang der oberste Politische Kom- missar der Volksarmee! - alles daran gesetzt hat, die Affäre herunterzu- spielen, kam die ganze Angelegen- heit vor eine parlamentarische Untersuchungskommission, die sie gewissenhaft und mit demokrati- schen Methoden überprüft.

Die Tage des jetzigen Verteidi- gungsministers sind ohnehin ge- zählt. Allem Anschein nach wird der nächste Ressortchef - noch im Frühjahr 1990 - ein Zivilist sein.

Im Dezember 198 9 hat man in der Armee den Eid auf die neue Unga- rische Republik abgelegt. Diejeni- gen Offiziere, die diesen als „echte Bolschewiken" verweigerten (sie wollten ja nur einer Volksrepublik dienen), müssen nun von ihren Uniformen Abschied nehmen. Es sind dies gewiß nicht viele Offizie- re, denn die überwiegende Mehr- heit des Offizierskorps (man spricht von 95 Prozent) hat mit Freude und aus Überzeugung den neuen Eid abgelegt.

Es ist ferner zu erwarten, daß ebenfalls noch im Frühjahr 1990 die kommunistische Bezeichnung der Armee - Volksarmee - abge- schafft wird. Danach wird Ungarns Streitmacht ihren alten, traditions- reichen Namen zurückerhalten: Man wird sie wieder Honv6d (Land- wehr) nennen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung