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Ungarns Vergangenheit

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Nach der vor über zwei Jahren erfolgten Überführung der sterblichen Überreste Kardinal 'Mindszentys in seine ungarische Heimat werden diese Woche auch die des politischen Führers der Zwischenkriegszeit, Admiral Horthy, nach Hause zurückgebracht.

Beide Persönlichkeiten repräsentierten in ihrer Zeit und in gewissem Sinne auch für die Nachwelt das feudale Ungarn vor dem Kommunismus. Während aber Mindszenty als historische Persönlichkeit Züge tragischer Größe und Heiligmäßigkeit, trotz aller Schranken der Zeit und der Umstände, aufweist, kann man solch hehre Attribute Horthy beim besten Willen nicht zusprechen. Zwar war Horthy, verglichen mit Hitler und Stalin, aber auch seinen ungarischen Landsleuten, dem Pfeilkreuzler-führer Szälasi und dem kommunistischen Diktator Räkosi, ein relativ milder Diktator, aber immerhin ein solcher. Kann man über seine Haltung gegenüber Kaiser Karl, dessen bloßer Platzhalter er als Reichsverweser offiziell war, dem er aber trotzdem den Thron, um den sich dieser bemühte, versagte, noch verschiedener Meinung sein, so steht es wohl eindeutig fest, daß Horthy durch seine enge Anlehnung an die Achsenmächte und besonders an das Deutschland Hitlers Ungarn in eine schlimme Situation hineinmanövriert hat.

Daß Horthy zuletzt versuchte, die extremen Konsequenzen der Herrschaft Hitlers in Ungarn, vor allem in bezug auf die Judenverfolgung, abzuwenden, ändert nichts daran, daß er und sein politischer Handlanger Gömbös das Land den Deutschen und dem Eroberungskrieg Hitlers ausgeliefert haben. Horthy war es auch vergönnt, einen über zwei Jahrzehnte währenden Lebensabend an der luxuriösen portugiesischen Rivie-ra zu verbringen, statt für seine Kollaboration zur Verantwortung gezogen oder gar hingerichtet zu werden, wie es dem slowakischen Staatschef von Hitlers Gnaden, Prälat Tiso, widerfuhr.

Der Versuch, Horthy zu idealisieren, ist also ein solcher an einem untauglichen und dieser Ehre nicht würdigen Objekt. Wenn es eine Persönlichkeit gibt, die es verdient, in ehrender Erinnerung gehalten zu werden, so ist dies der ungarische Ministerpräsident Graf Pal Teleki, der den Bruch des ungarisch-jugoslawischen Freundschaftspaktes am 3. April 1941 mit seinem Freitod beantwortete und durch diese Form des Protestes, die viel eher ein Opfertod im zeichenhaft-christlichen Sinn denn ein Selbstmord war, erreichte, daß die deutschen Truppen, die über Ungarn in Jugoslawien einfielen, durch ein Land mit schwarzen Fahnen marschierten.

Daran soll gerade angesichts dessen, was sich jetzt im ehemaligen Jugoslawien abspielt und was letzten Endes auf die Aggression Hitlers, der die nationalen Leidenschaften am Balkan aufgewühlt hat, zurückgeht, erinnert werden. Teleki und nicht Horthy repräsentiert das andere und bessere Ungarn der Vergangenheit.

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