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Ungeliebtes „Körberlgeld“

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Abbuchungen werden prompt verrechnet, Bareinzahlungen einen Tag später. Diese Praxis der Banken bei Girokonten wurde in der BRD als gesetzeswidrig verurteilt.

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Abbuchungen werden prompt verrechnet, Bareinzahlungen einen Tag später. Diese Praxis der Banken bei Girokonten wurde in der BRD als gesetzeswidrig verurteilt.

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Durch ein oberstgerichtliches Urteil in der Bundesrepublik ist die Frage der Wertstellungspraxis bei Girokonten in den Medien aktuell geworden. Die Dauer von Banküberweisungen wird bemängelt, und von Zeit zu Zeit liest man Kritik an den „Gehaltskonten-Gebühren“. Von Bankseite wird dabei immer wieder auf die Höhe der Kosten des Zahlungsverkehrs und die geringe Kosten-deckimg durch entsprechende Preise verwiesen.

Doch wo bleibt das Positive? Der Wert und die Nützlichkeit für

den Kunden wird kaum jemals angesprochen. Dabei ist das Gehaltskonto mit seinen vielfältigen Leistungen zum Bestandteil des täghchen Lebens geworden. Mit der einfachen Durchführung von Zahlimgstransfers, der Verwaltung von Eingängen, der Evidenzhaltung imd automatischen Durchführung von Daueraufträgen und Dauereinzügen, der je-

derzeitigen Bereithaltung von Bargeld bieten die Banken ein kompaktes Leistungsbündel, das dem Kunden Zeit tind Aufwand erspart. Dieses wird ergänzt durch Information imd Unter-stützimg der persönlichen Buchhaltung durch die Kontenauszüge, die bereits vielfach über Kontoauszugsdrucker zum gewünschten Zeitpunkt imd in einer beliebigen Filiale verfügbar sind. Das alles etwa imi 2,50 Schilling pro Monat.

Für weitere 6,25 Schilling pro Monat steht das eurocheque-Sy-stem (allein im Inland über 150.000 ZahlimgsmögUchkeiten mit Scheck) zur Verfügung. Auch für den Scheck werden weniger als die Kosten des Formulars berechnet.

Wer nochmals 6,25 Schilling pro Monat investiert, kann im österreichweiten Bankomatnetz (über 600 Geldausgabeautomaten österreichweit) bei freier Wahl von Zeitpunkt und Ort Bargeld beheben.

Die Preisgünstigkeit dieser Bankprodukte hat ihre Wurzel bekanntlich in den sechziger Jahren, als viele Bankdienstleistim-gen als mengen- imd kostenmäßig geringfügige Neben- beziehimgs-weise Zusatzleistungen zum damals deutlich profitableren Zinsspannengeschäft entstanden. Seither haben es die Banken nicht geschafft, die Preissituation den völlig geänderten mengen-, kosten- und ertragsmäßigen Rahmenbedingungen anzunähern. Auch den Kunden konnte der

Wert des Kontos nicht wesentlich näher gebracht werden, manche Banken trösten sich mit diversen „Zusatznutzenkomponenten“, wie der Kontoüberziehung, der Verfügung der Kredite auf dem Konto imd der zentralen Rolle, die das Girokonto für die Dauerhaftigkeit und den Ausbau einer Kundenbeziehung spielt.

Dabei kann man bei vorsichtiger Kalkulation davon ausgehen, daß das durchschnittliche Gehaltskonto mit etwa zehn verschiedenartigen Transaktionen pro Monat der Bank pro Jahr Kosten zwischen 1.000 und2.000 Schilling verursacht Die verrechneten Preise bringen hingegen Einnahmen von nur etwa 200 Schilling, wovon ein Teil an zentrale Stellen (eurocheque, Bankomatsystem) weiterzuleiten ist.

Zum Vergleich: Bei ähnlicher Ausgangslage wie in den sechziger Jahren bezahlt heute ein Privatkunde für ein vergleichbares Konto in der Bundesrepublik zwischen 60 DM und 150 DM pro armo. Während die deutsche Kreditwirtschaft mit diesen Preisen etwa 50 Prozent ihrer einschlägi-

gen Kosten decken kann, sind die für das österreichische Bankwesen entstehenden Kosten des Inlandszahlungsverkehrs von etwa 15 bis 20 Milliarden Schilling durch die Gebühren nur zu etwa 15 Prozent gedeckt. Auch wenn man Uberziehungen und anderes miteinbezieht, kommt man immer noch auf eine Unterdeckung von 60 bis 65 Prozent, die letzten Endes durch andere Sparten und aus der Zinsspanne zu subventionieren ist.

Neben fortgesetzten intensiven Anstrengungen, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs wirtschaftlicher zu gestalten, wird die Kreditwirtschaft aber langfristig gesehen um entbündelte und verursachergerechte Preise nicht herumkommen.

Dabei sind für Girokonten verschiedene, durchaus konkurrierende Modelle denkbar: Anhe-bung der fixen Preise zum Beispiel, oder Zusatzpreise für Leir stungsbündel, wie dies bereits beim Bankomat der Fall ist, oder Stückpreise pro Geschäftsfall bei gleichzeitiger Sicherung der Konto-Basisleistung durch nichtbe-rechnete sogenannte Freiposten. Auch die Wahrung sozialer Aspekte (Mindestpensionen, Arbeitslosengeld und so weiter…) wäre dabei wichtig.

Es kann hier natürlich nur eine Tendenz aufgezeigt werden, da vermutlich keines der namhaften Institute in dieser sensiblen Materie vorpreschen wird. Vor allem ist es aber nötig, gegenüber den Bankkunden und der übrigen Öffentlichkeit Verständnis für Nutzen imd Komfort der Girodienstleistungen zu wecken, die schwer entbehrlich und wertvoll sind und daher auch einiges kosten sollten.

Und noch etwas zur Wertstellungspraxis:

In der Wertstellyng gilt im wesentlichen das Prinzip der realen Verfügbarkeit des Geldes für die Bank und der Mindestverzin-sungseinheit von einem Tag. Daher wird die Gutschrift mit dem nächsten Banktag nach Buchung versehen, die Belastung mit dem Tag der Buchung.

Giro-Einzahlungen werden analog zur Regelung des Kreditwesengesetzes im Spargeschäft mit dem nächsten Banktag verzinst.

Man kann davon ausgehen, daß die österreichischen Banken für die Versorgung ihrer Kunden ständig etwa zehn Milliarden Schilling als unveranlagtes Bargeld bereithalten. Bargeld, das heute früh für Auszahlungen dient, muß vielfach bereits am Vortag beschafft werden.

Die Änderung der Wertstellungspraxis würde für die Banken zusätzliche Kosten bedeuten. In der Bundesrepublik ist jedenfalls schon der Ruf nach Anhebimg der Bankpreise zu vernehmen.

Das Institut für Kredit- und Versicherungswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien hat die Situation der Kosten- und Preispolitik auf diesem Gebiet in zwei verdienstvollen Studien vor einiger Zeit beleuchtet Sie wurden im „Osterreichischen Bankarchiv“ Nr. 10/85 und 1/86 veröffenUicht

Der Autor ist Leiter des Bereiches Zahlungsverkehr in der Ersten österreichischen Spar-Casse-Bank.

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