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Ungeplanter Erfolgskurs

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Jeder zehnte Einwohner der österreichischen Bundeshauptstadt - also immerhin rund 130.000 Menschen -schwimmt täglich auf Donauwellen. Und wenn schon nicht physisch, so doch zumindest mit Ohren und Gehirn: „Blue Danube Radio" (BDR), vorwiegend englischsprachiger ORF-Sender auf 102,2 FM (gleich rechts von ö 3) erfreut sich unter der Wiener Bevölkerung überraschend reger Anteilnahme.

Insgesamt sind es Woche für Woche an die 300.000 Personen, darunter 55 Prozent der Jugendlichen bis 19 Jahre, die itn Laufe einer Woche zumindest einmal eine der fünf angebotenen und täglich ausgestrahlten Programme einschalten.

Und seitdem das neue ö 3-Pro-grammscherria jeweils den Samstagabend zur Sonntagfrüh macht und um' 0.05 Uhr "die „ArrieriearT Ttfry 4u die amerikanische Hitparade, vom internationalen Bruder übernimmt, sieht das Ergebnis für die Kleinredaktion (derzeit zwei Redakteure und vier Sekretärinnen) noch erfreulicher aus.

In der Redaktion im Wiener Funkhaus wird einem mitgeteüt, daß die Reaktionen der in Wien ansässigen Ausländer - und da vor allem wieder der Diplomatenfamilien -, deretwe-gen „Blue Danube Radio" Ende August vergangenen Jahres anläßlich der Eröffnung der UNO-City in Betrieb genommen worden war, „überwiegend positiv" seien.

Zwar ist erst in diesen Tagen in der UNO-City selbst eine erste (und nicht repräsentative) Fragebogenaktion abgeschlossen worden, deren Ergebnis in den kommenden Wochen ausgewertet werden soll. Aber ein Klubabend von „Wien International", der ein Zusammentreffen von in Wien ansässigen Ausländern und der Radiomannschaft arrangierte, Heß doch einige Kritik aufklingen.

Da wäre einmal das Musikprogramm, das bislang ausschließlich Hits aus der Popwelt beinhaltet; da wird von mancher Seite mit der mangelhaften, weil vornehmlich aus der englischen Nachrichtenagentur Reuter gespeisten Sportberichterstattung gehadert. Manche wünschen die Ausstrahlung des Programms in Stereo (was eine weitere Einschränkung des ohnedies bereits auf den Wiener Raum beschränkten Empfangspotentials bedeuten würde), viele - vor allem Personen aus dem nicht-anglo-amerikanischen Raum - mehr Einbeziehung verschiedener anderer Sprachen: Französisch sollte ausgeweitet, eine Sprache des Ostblocks neu eingeführt werden.

Darüber hinaus besteht bei Ausländern wie interessierten Wienern offensichtlich Bedarf an originalsprachigen Filmen. Weü aber nahezu alle vom ORF ausgestrahlten Filme bei der Synchronisation gekürzt worden sind, stehen diesem Anliegen technische Gründe im Wege.

Apropos interessierte Wiener: Zwar geben insgesamt fünf von zehn Befragten (darunter sogar 61 Prozent der Jugendlichen) an, „Blue Danube Radio" wegen der guten Musikauswahl zu hören, aber bereits in 40 Prozent der Fälle wird die „Möglichkeit, Fremdsprachenkenntnisse auszubauen" genannt: 64 von 100 Maturanten und beinahe ebenso viele, nämlich 62 von 100 Akademikern, nützen diese Chance.

Daneben aber hegt ein Gutteü des Erfolges zweifellos auch an. der Präsentation: Alle drei bis sechs Wochen werden zwei „neue Stimmen" für jeweils drei Wochen unter Vertrag genommen. Grundbedingung für eine Kurzkarriere als Moderator ist die englische Muttersprache, einschlägige Berufserfahrung - etwa bei einem britischen Sender - kann dabei nur nützlich sein; Und wenn's dann noch fröhlich und gut gelaunt klingt, ist der Erfolg schon so gut wie sicher.

So wie der von Paul Hollingdale, dem „Mann der ersten Stunde" bei ö 3-International: Gleichgültig, ob er „Good Morning, Vienna" (eine Art ö 3-Wecker mit Informationen über aktuelle Ereignisse und Veranstaltungen in Wien) präsentiert, ob das „Blue Danube Magazine" mit Kurzbeiträgen, Unterhaltung, Hörerbeteiligung und Informationen oder das „Evening round up", eine Art Abendjournal mit Korrespondentenberichten aus aller Welt. Paul Hollingdale ist zum Hörerliebling avanciert: „Vielleikt, weü ik versuche, gute Laune zu verbreiten - und weü's mir selber so viel Spaß makt."

Alles in allem also ein Erfolg, diese Wellenspielerei: Ein Programm, das vor allem bei einem Publikum Furore gemacht hat, das zu erreichen ursprünglich „gar nicht so sehr in unserer Konzeption vorgesehen war". Trotzdem wollen Hörfunk-Intendant Ernst Grissemann und ö 3-Chef Rudi Klausnitzer vorderhand keine Ausweitung derTleichweite.

Zum einen, weil „BDR" dann endgültig zum vierten Vollprogramm auf UKW avancieren und damit die ursprüngliche Zielsetzung verändern würde; und zum anderen, weil für den derzeitigen Betrieb die österreichische Bundesregierung geradesteht: Den ORF kostet sein Mediennachwuchs so gut wie nichts. Für die Restösterreicher ist's schade. Denn noch nie war Englischlernen so unterhaltsam.

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