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Ungesunde Geschäfte

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In jedem menschlichen Bereich werden Regelwidrigkeiten und Fehlleistungen vorkommen, die selbstverständlich aufzuklären und abzustellen sind.-Für eine sachkundige und objektive Aufklärung, Beurteilung und gegebenenfalls auch Ahndung stehen in jedem demokratischen Rechtsstaat jedermann kompetente Einrichtungen zur Verfügung, die eines offenkundig gewinnorientierten „Enthüllungsjoumalismus“, der sich überdies noch recht bedenklicher Methoden bedient, nicht bedürfen.

Die Beschäftigung mit Einzelheiten läßt weder der zur Verfügung stehende Raum noch die Tatsache zu, daß nach den eigenen Angaben der Autoren die Staatsanwaltschaft befaßt wurde. Außerdem werden sich nach den öffentlich abgegebenen Erklärungen die Diszipli- narsenate der Ärztekammer und’eine parlamentarische Enquete eingehend mit der Materie beschäftigen.

Ohne diesen Untersuchungsergebnissen, die hoffentlich die angeblichen Fakten als erbärmliche Sensationsmache entlarven werden, vorzugreifen, muß einer pauschalen Diskriminierung ganzer Berufsgruppen, die entscheidende Träger unserer Volksgesundheit sind, mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden.

Mittel zum Zweck

Die angeblichen Enthüllungen sind tatsächlich - und das muß klar erkannt werden - den Autoren und vor allem den hinter ihnen stehenden außenparteilichen Linksgruppierungen nur .geheiligte’ (und Gewinn bringende) Mittel zum Zweck:

Der harte Kern des Buches auf den Seiten 201 bis 206 sind die geforderten Maßnahmen, die eindeutig und unmißverständlich tiefgreifenden gesellschaftspolitischen Charakter haben. Sie sind nicht neu, und in unterschiedlicher Formulierung kann man ihre Spur und ihre geistigen Väter in verschiedenen Publikationen verfolgen. Daß sie gerade jetzt mit einem ausgezeichneten Begleitmarketing in Form des Buches .Gesunde Geschäfte wieder auftauchen, ist kein Zufall. Gerade jetzt wird ernsthaft an einem neuen österreichischen Arzneimittelgesetz, dessen Entwurf bereits zur Begutachtung vorlag, gearbeitet, und man versucht nun über die Manipulation der öffentlichen Meinung Druck auf den neuen Gesundheitsminister und die Abgeordneten auszuüben, um die gesellschaftspolitischen Ziele wenigstens teilweise durchzusetzen.

Würde man diese Forderungen isoliert vorbringen, so würde sich die überwältigende Mehrheit unserer Bürger vehement gegen noch mehr Staat und Dirigismus wehren. Also muß man jeden einzelnen, der ja irgendwann selbst betroffen sein könnte, derart verunsichern, daß er sich mit den unerkannten Zielen der hinter den Autoren stehenden Gruppierungen identifiziert.

Auf einen knappen Nenner gebracht, sind die Ziele:

• Vergesellschaftung und Zentralisierung der Grundlagenforschung

• Vergesellschaftung und Zentralisierung der klinischen Forschung

• Vergesellschaftung und Zentralisierung der wissenschaftlichen Information

Zu finanzieren sind diese Maßnahmen selbstverständlich direkt und indirekt von der pharmazeutischen Industrie.

Was beinhalten nun diese Maßnahmenforderungen?

Die erste Zentralstelle bestimmt, auf welchen Gebieten überhaupt geforscht werden darf. Firmen, die sich diesem allwissenden Diktat unterwerfen, erhalten möglicherweise Subventionen für die Durchführung der notwendigen Detailforschung. Da in den Preisen die sehr aufwendigen Forschungskosten dann nicht mehr Berücksichtigung finden sollen, wird jedes privatwirtschaftliche Forschungsvorhaben praktisch unterbunden.

Die zweite Zentralstelle bestimmt dann, was wo und wie am Menschen zu prüfen ist. Auch diese Stelle ist mit übersinnlichen Kräften ausgestattet, denn sie sieht - bevor überhaupt noch Ergebnisse vörliegen - nicht etwa nur den medizinischen Wert, sondern sogar schon den gesundheitspolitischen Nutzen voraus und richtet danach ihre Entscheidung.

Die dritte Zentralstelle deckt den gesamten Informationsbedarf der Kliniken, Krankenhäuser und Ärzte ab. Der direkte Kontakt zwischen einem Arzt und jenem Unternehmen, das ein bestimmtes Medikament entwickelt hat und deshalb auch zwangsläufig den größten Wissensstand besitzt, wäre verboten, Arzt und Forschung müssen sich zur gegenseitigen Verständigung und Unterrichtung eines zentralen .Dolmetschers’ bedienen …

Um zu erfahren, gegen welche Krankheiten uns heute noch wirksame Medikamente fehlen und wie sich die Trends bestimmter Krankheiten entwickeln, bedarf es nicht der Schaffung einer österreichischen Zentralstelle. Seit Jahrzehnten kann jeder Sachkundige aus den einschlägigen Veröffentlichungen der WHO (Weltgesundheitsorganisation der UNO) und dem vorbildlichen Gesundheitsbericht des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz alle gewünschten Informationen entnehmen. Es kann auch nicht vermutet werden, daß die doch angeblich so gewinnorientierte Pharma-Industrie ausgerechnet auf Krankheitsgebieten forscht, für die gar kein Bedarf besteht.

Informationsverluste

Bei aller Systematik hängen erfolgreiche Forschungsergebnisse auch von glücklichen Zufällen ab. Der Erfolg läßt sich leider nicht vorprogrammieren oder gar befehlen, und daran wird auch eine Zentralstelle nichts ändern.

Bisher ist jedermann in allen Bereichen immer am besten gefahren, wenn er nach dem alten Sprichwort zum Schmied und nicht zum Schmiedl gegangen ist, auch bei der Einholung von Informationen. Niemand kann mehr über ein Produkt wissen, als derjenige, der es über alle Phasen entwickelt und erforscht hat und alle Details der Herstellung kennt. Der Informationsaustausch über eine Zentralstelle kann daher - abgesehen von den Problemen der Haftungspflicht - nur zu Informationsverlusten führen, die letztlich nicht der Sicherheit des Patienten dienen.

Aber es geht ja gar nicht um die Sicherheit des Patienten oder medizinischen Fortschritt, sondern darum, ein Hoffnungsgebiet der Industrie auf kaltem Wege zu vergesellschaften und von hier aus die Verstaatlichung des gesamten Gesundheitswesens einzuleiten.

Arzneimittel: 80-90 Prozent nur neue Kombinationen alter Substanzen? Foto: Votava

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