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UNGLÜCKLICHE UMSTÄNDE

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Kroatien befand sich, als sich die christdemokratischen Bewegungen in Europa Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten, in einer schwierigen Situation. Das nationale Corpus war politisch in drei Teile geteilt: Kroatien und Slawonien unterstanden dem ungarischen Teil der alten Monarchie, Dalmatien und Istrien dem österreichischen und Bosnien-Herzegowina hatte einen besonderen Status.

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Kroatien befand sich, als sich die christdemokratischen Bewegungen in Europa Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten, in einer schwierigen Situation. Das nationale Corpus war politisch in drei Teile geteilt: Kroatien und Slawonien unterstanden dem ungarischen Teil der alten Monarchie, Dalmatien und Istrien dem österreichischen und Bosnien-Herzegowina hatte einen besonderen Status.

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In dieser Situation haben verantwortliche kroatische Politiker, darunter auch bedeutende Männer der Kirche (wie der Bischof von Djakovo Strossmayer und der Zagreber Domherr Racki) versucht, nach Möglichkeit die politische Einheit aller relevanten Kräfte zu erhalten oder wenigstens eine zu große Zersplitterung zu vermeiden. So gab es ziemlich starken Widerstand der mehrmals versuchten Organisierung einer katholischen Bewegung, was damals eigentlich eine systematische Erziehung und Bildung der katholischen Laien und ihre Einführung in das öffentliche Leben der Nation hätte bedeuten sollen. So war die kroatische Intelligenz um die Jahrhundertwende meistens liberal oder sozialistisch gesinnt.'

Es kam dann doch zur Organisierung dieser Bewegung, die eigentlich der Slowene Anton Mahnic als Bischof der kroatischen Diözese auf der Insel Krk initiierte. Er bemühte sich, nach dem Vorbild Sloweniens, wo eine solche Bewegung etwa zehn Jahre früher begann, seit 1903 die katholischen Studenten zu organisieren, was ihm auch gelang. Der von ihm geleitete Studentenverein hieß „Domagoj” (Name eines katholisch orientierten kroatischen Fürsten aus dem 9. Jahrhundert). Aus dieser Organisation entstanden mit Hilfe einer gut organisierten Presse viele Zweige in ganz Kroatien.

Störung der Einheit

Unmittelbar vor dem Krieg und während des Ersten Weltkrieges wurden schon Pläne zur Bildung einer politischen Partei christdemokratischer Prägung ausgearbeitet. Und nach dem Krieg trat dann auch die „Hrvatska puöka stranka” (Kroatische Volkspartei) im politischen Leben auf. Es gab aber einige unglückliche Umstände für diese Partei: 1. Sie erschien in der Öffentlichkeit, als die kroatische politische Szene schon von der Kroatischen Bauernpartei der Brüder Stjepan und Antun Radic beherrscht wurde. Diese Partei, die noch Ende des 19. Jahrhunderts entstand, konnte sehr gut die Interessen der Kroaten artikulieren. 2. Im neuen jugoslawischen Staat war es gleich klar, daß die Kroaten wieder gegen eine Entfremdung und die Assimilierungsversu-che, diesmal seitens der Serben, werden kämpfen müssen. In einer solchen Situation war es wichtig, daß die Nation möglichst einig blieb. Nach Ansicht vieler Menschen störte eine neue Partei nur. 3. Die slowenische christdemokratische Partei (Slovens-ka ljudska stranka) des Priesters Anton Korosec, in der die kroatische christdemokratische Partei einen natürlichen Verbündeten hatte, kooperierte bestens mit den Serben und unterstützte damit jene Politik, die gegen die Interessen der Kroaten war.

Nachdem 1928 der Vorsitzende der Kroatischen Bauernpartei Stjepan Radic im Belgrader Parlament erschossen wurde, kam die Diktatur des ' Königs Aleksander und alle Parteien waren verboten. Nachdem in den dreißiger Jahren das Parteileben wieder erlaubt wurde, verzichtete die kroatische Volkspartei auf ihre weitere Tätigkeit, eben um die nötige Einheit des kroatischen Volkes nicht zu stören.

Nach dem Zerfall des Kommunismus kam es bald zur Gründung einer Kroatischen christdemokratischen Partei (Hrvatska krscanska demokrats-ka stranka). Die Entwicklung der Partei wurde jedoch durch die Krankheit ihres ersten Vorsitzenden gelähmt. Man wählte schließlich den Vizepräsidenten der Partei, Ivan Cesar, zum neuen Präsidenten. Er und seine Mitarbeiter waren aber nicht in der Lage, die Partei richtig zu organisieren und sich zu profilieren. Bei den letzten Wahlen blieb diese Partei unter zwei Prozent. Noch schlechter schnitt die später entstandene Christliche Volkspartei (Krscanska narodna stranka) des ersten Außenministers der Republik Kroatien, Zdravko MrsSic, ab.

Im Herbst vorigen Jahres wurde eine lockere Union zwischen der Kroatischen Christdemokratischen

Partei und der Kroatischen demokratischen Partei (Hrvatska demokratska stranka) des ehemaligen Dissidenten und langjährigen Gefangenen in kommunistischen Kerkern Marko Veselica geschlossen. Es ist noch nicht klar, ob die Union bei den nächsten lokalen Wahlen gemeinsam auftreten wird.

Einen Anspruch auf christliche Demokratie erhebt auch die regierende Kroatische demokratische Gemeinschaft (HDZ) des Präsidenten Franjo Tudjman, obwohl sie mehr eine Bewegung ist und führende Positionen in ihr noch immer viele ehemalige Kommunisten einnehmen.

Damit in Verbindung standen Versuche der regierenden Partei, die Christdemokraten zu absorbieren und Ivan Cesar zu disqualifizieren. Man hat vor den Wahlen behauptet, daß Cesars Sohn ins Ausland geflüchtet sei, anstatt an der Front für Kroatien zu kämpfen. Das erwies sich zwar als Lüge, aber es hat dem Parteivorsitzenden Cesar schweren Schaden zugefügt. Vergangenes Jahr hat man in einem Film über den von der jugoslawischen UDBA in den siebziger Jahren ermordeten kroatischen Emigranten Bruno Busic behauptet, Cesar sei die ganze Zeit nach 1972 Mitarbeiter des jugoslawischen Geheimdienstes gewesen. Das war anschein-den für Ivan Cesar tödlich - die Partei hat ihn bereits abgewählt.

Inzwischen haben sich einige Gruppen der Christdemokraten aus der Provinz der regierenden Partei angeschlossen - zum Beispiel in Ossijek.

Viele Kroaten meinen, daß eine christdemokratische Partei beste Chancen hätte, würde sich eine charismatische Führerpersönlichkeit finden.

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