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Unhaltbarer Zustand

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Aufgrund unserer langjährigen Beratungspraxis, aus der wir die Probleme in ihren Schwerpunkten und auch aus vielen Einzelschicksalen kennen, wissen wir, daß die im Strafgesetz im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch vorgesehene ärztliche Beratung meist entweder

überhaupt nicht stattfindet oder absolut ungenügend ist und häufig von jenem Arzt geleistet wird, der dann selbst die Abtreibung durchführt.

Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß der Arzt, der die Abtreibung durchführt, auch selbst die Frau in ihrer Konfliktsituation berät. Aus gutem Grund ist daher auch in anderen Gesetzen, wo es um schwerwiegende Entscheidungen geht, vorgesehen, daß bei Entscheidungsfindung und Folgemaßnahmen verschiedene Personen tätig werden.

So ist zum Beispiel von Gesetzes wegen vorgeschrieben, daß bei Organentnahmen jener Arzt, der den eingetretenen Tod des Menschen, dem Organteüe entnommen werden sollen, feststellt, nicht die Entnahme oder die Transplantation durchführen darf. Aus gutem Grund soll hier einer Interessenkollision vorgebeugt werden. Welche Parallele zu unserem Problem!

Dazu kommt, daß der Arzt allenfalls medizinische Auskünfte geben wird. Für schwangere Frauen, die eine Abtreibung in Erwägung ziehen, sind allerdings die geringsten Probleme medizinischer Natur. Die Hauptrolle spielen vielmehr Schwierigkeiten und Konflikte mit dem Partner, der Familie, Wohnungsnot, berufliche Probleme.

Es muß daher unbedingt dafür Sorge getragen werden, daß eine eingehende individuelle Beratung der Frau erfolgt, die ihr auch die notwendigen Hilfsmöglichkeiten auf dem Weg zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung in ihrer Konfliktsituation aufzeigt. Eine hervorragende Rolle könnte dabei den seinerzeit als flankierende Maßnahme zur Fristenregelung geschaffenen Familienberatungsstellen zukommen.

Wenn eine Frau, die sich sicher nicht leicht zu einer Abtreibung entschließt, wirklich ausreichende Entscheidungsgrundlagen erhalten hat und über Hilfsmöglichkeiten ausreichend informiert ist, und sie sich dann dennoch zur Abtreibung entschließt, so bedauern wir diese Entscheidung sehr.

Aber es ist dann wenigstens gewährleistet, daß sie eine freiere Entscheidung getroffen hat. Nur eine umfassendere Beratung vor dem Entschluß, eine Abtreibung durchzuführen oder nicht durchzuführen, ermöglicht eine Entscheidung ohne Druck und Zwang.

Der Autor ist Vorstandsmitglied der „Aktion Leben“.

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