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Unheilige Allianz

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Die bundesdeutsche Parteispendenaffäre erschüttert mittlerweile das gesamte politische System. Spendengelder des Flick-Konzerns flössen indes nicht nur in Richtung CDU. Daß aber gegen involvierte SPD-Funktionäre nicht vorangegangen wird, rückt die deutsche Justiz zunehmend in ein schiefes Licht.

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Die bundesdeutsche Parteispendenaffäre erschüttert mittlerweile das gesamte politische System. Spendengelder des Flick-Konzerns flössen indes nicht nur in Richtung CDU. Daß aber gegen involvierte SPD-Funktionäre nicht vorangegangen wird, rückt die deutsche Justiz zunehmend in ein schiefes Licht.

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Am Montag, dem 5. November, fiel in Köln vor einem Schöffensenat das erste Urteil in der bundesdeutschen Parteispendenaffäre. Der Arzneimittel-Fabrikant John-Werner Madaus, zugleich auch österreichischer Honorarkonsul in Köln, wurde zu einer Geldstrafe von 420.000 DM (das sind über 20 Millionen Schilling) verurteilt.

Madaus wurde angelastet, zwischen 1969 und 1979 über gemeinnützige Vereine insgesamt 566.000 D-Mark an die CDU gespendet zu haben. Das Unternehmen hat dadurch einen Steuervorteil von über 250.000 D-Mark erhalten. Wäre das Geld direkt an die CDU geflossen, hätte Madaus weitaus weniger Steuern gespart.

Die Brisanz dieses Urteils lag weniger in der Tatsache der Verurteilung, denn nach dem Einkommensteuergesetz von 1967 ist die Rechtslage eindeutig. Die Überraschung bei dem Urteil war jedoch das Strafausmaß. Der Staatsanwalt beantragte 150.000 D-Mark Geldstrafe, der Richter verhängte jedoch fast die dreifache Summe.

Jeder, der Strafprozesse verfolgt, weiß, daß in der Regel der Staatsanwalt immer mehr fordert, als letztendlich das Gericht urteilt. Daß der Richter Volker Baumgarten, der dem linken Flügel der SPD angehört, das Urteil „vergleichsweise milde" nannte, dazu gehörte sicherlich eine Portion Zynismus.

Dieses Urteil läßt den Vorwurf einer „politischen Justiz" aufkommen. Es hat darüber hinaus den Bemühungen keinen guten Dienst erwiesen, den Parteispenden-Affären auf den Grund zu gehen.

Worum geht es bei der Spendenaffäre grundsätzlich? # Die eine Seite der Parteispenden-Affäre ist eine steuerrechtliche. In der Bundesrepublik gibt es das Institut der gemeinnützigen Vereine. Im vorliegenden Fall bediente sich die CDU solcher gemeinnütziger Vereine — meist unter dem Mantel der politischen Büdung—, um von potenten Spendem Geld zu bekommen. Da die steuerliche Abzugsfähigkeit solcher Vereine weitaus günstiger ist als die der Parteien selbst, sparten die Spender Geld. # Die zweite Seite der Parteispenden-Affäre ist die Frage des Einflusses. Konkret wird dem Flick-Konzern vorgehalten, durch finanzielle Zuwendungen politische Entscheidungsprozesse beeinflußt zu haben.

Bereits in der Endphase der sozialliberalen Koalition 1981/82 kam es nun im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" zu Berichten in der Spendenaffäre Flick. Ziel dieser Berichte war in erster Linie der damalige FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, in zweiter Linie der ehemalige SPD-Finanzminister Hans Matt-höfer, der für die Flick-Steuerbefreiung verantwortlich war.

Woher hatte der „Spiegel" seine Informationen? Es gab nur zwei Möglichkeiten: das Nordrhein-Westfälische SPD-Justizministerium oder die Bonner Staatsanwaltschaft, bei der die Erhebungen anhängig waren. .

Nach langem Hin und Her erhob die Bonner Staatsanwaltschaft vor einem Jahr Anklage gegen eine Reihe von Personen, darunter die ehemaligen FDP-Wirtschaftsminister Lambsdorff, Frid-richs und Riemer (für Nordrhein-Westfalen). Gegen die ehemaligen SPD-Finanzminister Matthöfer und Lahnstein wurde jedoch keine Anklage erhoben.

Darüber hinaus veranstaltete die Bonner Staatsanwaltschaft, natürlich nicht ohne Absprache mit dem SPD-Justizministerium in Düsseldorf, am 29.11.1983 eine Pressekonferenz, bei der die Anklage bekanntgegeben wurde, noch bevor die Angeklagten selbst die Anklageschrift zu Gesicht bekommen hatten.

Unabhängig von den objektiv begangenen Straftaten und deren notwendiger Verfolgung wird eine politische Stoßrichtung in der Allianz zwischen SPD-Justizministerium in Düsseldorf und dem „Spiegel" offenbar. In der Endphase der sozialliberalen Ära sollten der rechte FDP- (Lambsdorff) sowie der rechte SPD-Flügel (Matthöfer) verunsichert und dadurch bei der Stange gehalten werden.

Nach dem Regierungswechsel im Herbst 1982 traf den rechten FDP-Flügel die volle Wucht einiger sich als „moralische Instanz der Republik" gebärdender Medien („Spiegel", „Stern", „Westdeutscher Rundfunk"), um für den „Verrat" die Strafe auszuteilen.

Die Involvierung rechtsstaatlicher Prinzipien in diese Kampagne birgt aber Gefahren für die Demokratie, weil dadurch der Staat, die Parteien und die Politiker in eine Unglaubwürdigkeits-rolle gedrängt werden. Denn wenn man schon beim Trockenlegen von Sümpfen ist, dann müssen auch einmal die finanziellen Praktiken der SPD, der Gewerkschaften, aber auch der Grünen unter die Lupe genommen werden. Bei jenen „Instanzen", die sich in der Spendenaffäre derzeit ereifern, ist davon jedoch nichts zu merken.

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