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Universale Botschaft

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In Bethlehem kam vor 2000 Jahren nicht nur für Christen, sondern für alle Menschen guten Willens das Heil zur Welt. Heute rücken die Weltreligionen zusammen.

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In Bethlehem kam vor 2000 Jahren nicht nur für Christen, sondern für alle Menschen guten Willens das Heil zur Welt. Heute rücken die Weltreligionen zusammen.

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Dem Wort des Titusbriefes „Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Heilandes“ (Tit 3,4) korrespondiert eine ähnliche Formulierung dieses Briefes, die ausdrücklich sagt, daß diese Botschaft allen Menschen gilt: „Erschienen ist allen Menschen die Gnade Gottes, unseres Heilandes“ (Tit 2,ll),heißteshier.Ineinprä-samer Weise ist mit diesen Worten die befreiende und erlösende Erfahrung der an Christus Glaubenden zusammengefaßt.

Nicht ein anonymes Letztes, ein namenloser Urgrund wird hier zur Sprache gebracht, sondern ein konkreter Name wird als Grund des Heils genannt. Die Erfahrung des sich offenbarenden Gottes verbleibt nicht im Unverbindlichen, sondern ist in personaler Gestalt vermittelt; der letztlich Unnennbare wird als jener verkündet, der sich in Zeit und Geschichte mitgeteilt hat.

Zugleich wird von dieser Botschaft gesagt, daß es sich um eine universale, an die ganze Menschheit gerichtete handelt. Für die Kirche hat sich darum von jeher die Frage gestellt, wie im Horizont dieses Universalitätenanspruches, der auf der Erfahrung der endgültigen und nicht überbietbaren Zuwendung Gottes in Jesus Christus beruht, die vor- und die nichtchristlichen Religionen zu verstehen sind, wie ihnen in der Mission zu begegnen ist und wie der interreligiöse Dialog zu führen ist.

Von den ersten Jahrhunderten an bis in die Gegenwart herauf ist dabei die Kirche von der Uberzeugung an Gottes universales Wirken ausgegangen, das auch in manchen Aspekten anderer Religionen zu erkennen sei. In der alten Kirche war es die Lehre vom göttlichen Logos, der bei allen Völkern keimhaft vorhanden sein kann. Die Brücke zu den vor- und außerchristlichen Kulturen hin schlägt schon Justin, der Philosoph und Märtyrer, in seiner Apologie (um 130), in der er sagt, daß am Logos, der in Christus in seiner Fülle erschienen ist, das ganze

„Das Konzil spricht mit .Hochachtung' von den Religionen“

Menschengeschlecht teilhat, da jeder Mensch in der Vernunft Keime des Logos besitzt.

Klemens von Alexandrien hat um 200 der Auffassung von den keimhaft eingepflanzten Logoi die klassische Form gegeben, so daß er die vorchristliche Philosophie der Griechen als Erzieherin auf Christus hin verstehen kann; diese offene Einstellung ermöglicht ihm auch die positive Würdigung von ihm fremden oder nur wenig bekannten Kulturen und Religionen, wie zum Beispiel seine ehrfurchtsvolle Nennung des Namens Buddhas (die älteste in der christlichen Literatur!) bezeugt.

Von der Universalität des Heilswirkens Gottes geht auch das Zweite Vatikanische Konzil in seiner Erklärung über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen aus. Alle Völker haben Gott als ein und dasselbe letzte Ziel, und „seine Vorsehung, die Bezeugung seiner Güte und seine Heilsratschlüsse erstrecken sich auf alle Menschen“ (Artikel 1).

Diese heilsoptimistische und dialogoffene Haltung ermöglicht es, das Positive der anderen Religionen zu würdigen. Darum spricht das Konzil - wie es ausdrücklich im Hinblick auf die Muslime heißt - „mit Hochachtung“ von den Religionen (Artikel 3). Beim Islam wird insbesondere die Anbetung des einzigen Gottes gewürdigt.

Beim Hinduismus wird die as-zetische Lebensform, die tiefe

„Sehr klar wird das durch die Friedensgebete von Assisi dokumentiert“

Meditation und die liebend-ver-trauende Zuflucht zu Gott genannt; beim Buddhismus wird die Suche eines Zustandes vollkommener Befreiung oder der höchsten Erleuchtung hervorgehoben. Im Hinblick auf die beiden Religionen des Ostens macht das Konzil eine Aussage, die generell verstanden werden kann, nämlich daß „die katholische Kirche nichts von alledem ablehnt, was in diesen Religionen wahr und heilig ist“.

Die affirmative Einstellung geht einher mit der bedeutsamen theologischen Aussage, daß die Lebensweisen und Lehren der östlichen Weltreligionen — trotz deren Unterschiedes zum christlichen Glauben — „nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“ (Artikel 2). Der religiöse und ethische Reichtum nichtchristlicher Traditionen erscheint in einem neuen Licht, wenn er im Horizont des universalen Wirkens Gottes gewürdigt wird.

Durch die aufgeschlossene Form der Begegnung wird nicht allein ein besseres gegenseitiges Verstehen der religiösen Lehren ermöglicht, sondern zugleich der Weg geebnet für eine fruchtbare Zusammenarbeit der Angehörigen verschiedener Religionen zur Lösung der gravierenden gesellschaftlichen Probleme, insbesondere wenn sie durch Gewalt, Diskriminierung und krasse Ungerechtigkeit bedingt sind. Der interreligiöse Dialog ist darum ein wesentlicher Beitrag zur Errichtung einer gerechten Ordnung in den einzelnen Ländern und zwischen den Völkern.

Sehr klar wird dies durch die Friedensgebete von Assisi (Oktober 1986) dokumentiert, die zeigten, daß das Gespräch der Religionen zugleich im Dienste eines elementaren Anliegens der Menschheit heute steht. Im Dialog mit den anderen Religionen vermag daher deutlicher bewußt zu werden, daß das Erscheinen der Menschenfreundlichkeit Gottes einen Frieden miteinschließt, der alle Menschen umfaßt.

Der Autor ist Vorstand des Institutes für Religionswissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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