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Universitätsreform ins 2. Jahr

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Als die österreichische Rektorenkonferenz in der Vorwoche ihre traditionelle Spätsommersitzung, noch vor Beginn des neuen Studienjahres, abhielt — jene Sitzung, die der ersten Kontakt-nahme zwischen den „alten“ Funktionären des abgelaufenen mit den neugewählten des kommenden Arbeitsjahres dient —, da bestand zum erstenmal die Gruppe der Neuen nicht aus Rektoren, deren Amtszeit zum selben Termin voll anlief, sondern aus Prärektoren, die erst ein Jahr der Einarbeitung vor sich haben, bevor sie — nun für zwei Jahre — die Spitzenfunktion ihrer Universität übernehmen werden.

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Als die österreichische Rektorenkonferenz in der Vorwoche ihre traditionelle Spätsommersitzung, noch vor Beginn des neuen Studienjahres, abhielt — jene Sitzung, die der ersten Kontakt-nahme zwischen den „alten“ Funktionären des abgelaufenen mit den neugewählten des kommenden Arbeitsjahres dient —, da bestand zum erstenmal die Gruppe der Neuen nicht aus Rektoren, deren Amtszeit zum selben Termin voll anlief, sondern aus Prärektoren, die erst ein Jahr der Einarbeitung vor sich haben, bevor sie — nun für zwei Jahre — die Spitzenfunktion ihrer Universität übernehmen werden.

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Vielleicht war diese Beobachtung nur ein Detail am Rande, aber sie ist doch ein merkbares Symptom dafür, daß das Universitätsorganisa-tionsgesetz, das vieldiskutierte und umstrittene UOG, seit einem Jahr in Kraft steht und nun in das — vielleicht entscheidende — Jahr der praktischen Verwirklichung tritt. Vor einem Jahr begann die Durchführung der Universitätsreform auf der Basis des neuen Gesetzes (in vielen Punkten nur noch die legistische Vollziehung dessen, was sich in den Jahren vorher aus sich heraus entwickelt hatte). In diesem Jahr wurden im wesentlichen die vorgegebenen Termine eingehalten. Trotz vieler Schwierigkeiten, die sich erst aus der Praxis ergaben, rollte alles planmäßig ab. Mit Ausnahme jener Konstituierungen, die durch den Boykott der Studenten unmöglich wurden. Alles in allem doch wohl ein Beweis dafür, mit welcher Loyalität die Universitätslehrer aller Kategorien das Gesetz verwirklichen, gegen das sehr viele von ihnen auch heute noch tiefgehende Einwände haben.

In diesem Jahr wurden die zu groß gewordenen Fakultäten geteilt, wurden die zahllosen Wahlen der Mittelbauvertreter in Senate und Universitätskollegien, in Fakultätskollegien und Kommissionen durchgeführt, wurden die neuen Gremien zum großen Teil auch bereits konstituiert, wurden schließlich die Wahlen der Dekane und der Rektoren — mit Ausnahme von Innsbruck — durchgeführt. Zum erstenmal gingen die Spitzenfunktionäre aus drittelparitätisch zusammengesetzten Versammlungen hervor.

Schwierigkeiten gab es mannigfache. Es begann mit der ungeregelten Frage, was zu geschehen habe, wenn sich im bereits konstituierten Gremium die Zahl der Professoren verändert, von der die Zahl der Vertreter anderer Gruppen abhängig ist. Solche Veränderungen sind laufend zu erwarten. Man half sich in Eigenregie. Schwerer wog dann der Kommissionserlaß, der präzisierte, daß nur Vollmitglieder von Kollegien auch Kommissionsmitglieder sein dürften — denn damit schien die Entsendung von Ersatzleuten in die Kommissionen unmöglich gemacht. Vor allem die Studenten lehnten sich gegen diese Mehrbelastung auf und boykottierten die Kollegien, die vor ihrer Konstituierung standen. Erst in diesen Tagen haben sie sich wieder zur Mitarbeit bereit erklärt, nachdem auch im Ministerium eine nachgiebigere Haltung angekündigt worden war.

Nun werden sich Professoren, Assistenten und Studenten, Rektoren und Dekane im neugeputzten Haus wohnlich einrichten müssen. Gerade von den akademischen Funktionären verlangt die neue Lage auch einen völlig neuen Führungsstil. An der Universität Wien etwa zählte die einstige Philosophische Fakultät rund 120 Professoren, die mit wenigen Dozenten (und nur beobachtenden Studentenvertretern) die FakultätsSitzungen füllten. Heute gehören der neuen Geisteswissenschaftlichen Fakultät (nach Abspaltung der Naturwissenschafter wie der „Integrativ-wissenschafter“) noch 74 Professoren an — die nun mit jeweils halb so vielen Assistenten und Studenten sowie zwei „sonstigen“ Bediensteten ein 150-Mann-Team bilden. Seine „Bändigung“ fällt dem Dekan sicherlich nicht leichter als die der 120 Kollegen von einst seinem Vorgänger in der großen Fakultät. Waren es bisher die den eigentlichen Sitzungen vorausgehenden Beratungen der Hauptkommissionen, in denen die Probleme der einzelnen Fächergruppen vorbesprochen wurden, so werden nun — abgesehen von den auch für die weitere Unterteilung vorgesehenen Fachgruppenkommissionen — Fraktionssitzungen der „ständischen“ Gruppen sowie „Präsidialsitzungen“ der Fraktionsführer mit Dekan und Prädekan wie in der großen Politik die Vorabstimmung zu erreichen suchen müssen, wenn nicht die Fakultätssitzungen zu fruchtlosen Debatten ausufern sollen.

Die große Aufgabe des zweiten Jahres aber wird nun die Neugliederung der Institute betreffen. Die Tatsache, daß „Institut“ nicht gleich mit „Institut“ ist, daß etwa ein wesentlicher Unterschied zwischen dem „Heimatinstitut“ des Historikers und dem „Durchgangsinstitut“ für Mathematik an der Technischen Universität besteht, machte schon in den Diskussionen der Hochschulreformkommission eine klare Definierung schwierig. Jeder Debattenredner dachte nur an jene Form des Instituts, die er gewohnt war. Institute sind sie alle — jenes für Alte Numismatik mit einem Professor und wenigen Hörern, jenes für Germanistik mit einem knappen Dutzend von Professoren, jenes für Soziologie I, neben dem noch weitere drei Soziologische Institute bestehen, jedes mit einem Ordinarius besetzt, nach außen nur durch die römische Zahl unterschieden, und die Klinik mit zwei oder drei Professoren und mehreren Dutzend Ober- und Assistenzärzten.

Das UOG umschreibt, wofür ein Institut eingerichtet werden soll, für ein ganzes Fach, mit oder ohne seine Hilfs- und Ergänzungsfächer. Was aber ist ein „Fach“? „Parallelinstitute“ sollen nicht gestattet werden; wenn sie aber durch ihre Zielsetzung unterschieden sind — was dann? Die umstrittenen „Ein-Mann-Institute“ sind nicht ausgeschlossen, werden aber nach Möglichkeit auszuschalten sein. In der Praxis sind sie heute ohnehin meist durch einen oder mehrere Extraordinarien „aufgestockt“, womit das Ziel der Reform, die „Entmachtung der Ordinarien“erreicht ist. Wae aber steht es nun mit dem Recht der Extraordinarien, den Vorsitz in der Institutskonferenz zu übernehmen? Im Gesetz ist hiefür — bewußt — nur die Qualifizierung als „Professor“ vorgesehen. Im Durchführungserlaß wurde die Vorstandsfunktion auf die Ordentlichen Professoren eingeschränkt. Auch das ist eine noch ungeklärte Materie, die den Unwillen der Studenten provoziert hat.

Die Universitäten (wo es keine Fakultäten gibt) oder Fakultäten haben dem Ministerium ihre Vorschläge für die Neuordnung der Institute vorzulegen. Dieses entscheidet dann über die endgültige Form. Bisher liegen, wie man hört, die Vorschläge aus Klagenfurt und Linz vor, durchaus verschieden. In Klagenfurt, an der als Reformmodell konzipierten einstigen Bildungswissenschaftlichen Hochschule, wollte man ursprünglich auf eine Institutsgliederung überhaupt verzichten. Im UOG aber ist die alte Einteilung in Lehrkanzeln aufgehoben. Der ordentliche Professor nimmt einen Dienstposten ein, der einem Institut zugeordnet ist. Also wird man sich auch in Klagenfurt mit einer Institutseinteilung anfreunden müssen. In Linz dagegen haben sich die Angehörigen der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät für die Bildung von Großinstituten ausgesprochen, die der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen für die Beibehaltung der Ein-Mann-Institute. Wie wird das Ministerium entscheiden.

Am Ende des ersten Jahres der Verwirklichung der Universitätsreform sprach ein Rektor vom „Plebiszit der Praxis“. Es wird bis auf weiteres zur Dauereinrichtung werden.

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