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Unnötiger Konflikt

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Die Vorgänge rund um den geplanten Bau des Donaukraftwerks Hainburg werden nicht nur eine bleibende Tiefenwirkung auf die politische Landschaft Österreichs haben, sondern'verlangen auch die Aufarbeitung vieler Konflikte, die in diesen Wochen sichtbar geworden sind. Unter der ach so freundlichen Oberfläche Österreichs schlummert vieles, was zu passenden oder unpassenden Gelegenheiten virulent werden kann.

Ein solches Gespenst hat der niederösterreichische Arbeiterkammerpräsident Hesoun beschworen: Es ist der Vorwurf, daß die Studenten von den Arbeitern leben. Der Hinweis ist publikumswirksam und einfach verständlich. Er wirft aber doch die Frage auf, wer aller noch von wem lebt.

Genauso wäre es berechtigt, den Mitarbeitern der Verstaatlichten Industrie vorzuwerfen, daß sie heute vom Steuerzahler leben. Oder man könnte ebenso dem konfliktfreudigen Gewerkschafter entgegenhalten, daß seine Bauarbeiter vom Strombezieher erhalten werden, der auch nicht gefragt wird, ob ihm die Energiepolitik, die Gehälter oder gar die Werbeausgaben diverser Unternehmen recht sind.

Wem der Konflikt nützen soll, bleibt offen. So völlig ohne Subventionen gehen Gewerkschaftsund Arbeiterkammereinrichtungen auch nicht durch die Welt. Wer sich die Subventionsberichte in Bund und Ländern ansieht, kommt da auf muntere Millionenzahlen, die in diese gar nicht armen Vertretungen wandern. Dahinter steht aber in Wirklichkeit etwas anderes: Mit der Sprache des Geldes will sich die politische Macht in Erinnerung rufen.

Aber man soll es sich nicht leicht machen:Die Sorge um den Arbeitsplatz soll niemand beiseite schieben, wenngleich auch der lineare Weiterbau eines Kraftwerkes nach dem anderen ohne erkennbare Energiepolitik und Rücksicht darauf, ob sich in Österreich jedermann auch noch den Strom leisten kann, kein Zeugnis für besondere Phantasie bei der Arbeitsplatzpolitik ablegt.

Es muß Arbeiter ärgern, wenn Studenten, womöglich mit ihren Professoren, sich wochenlang in der Au aufhalten können, also nicht an eine Arbeitszeit gebunden sind, für niemanden zu sorgen haben und im Verständnis der Kritiker ihren Träumen nachgehen.

Wäre dies aber nicht für besonnene Gewerkschafter und Studentenvertreter der Anlaß, ein Gespräch zu führen? Der Themen gäbe es viele: Welche Ideen gibt es an den Universitäten, neue Produkte und Dienstleistungen zu schaffen, die ihrerseits wieder Arbeitsplätze garantieren? Welcher Weg der Energiepolitik soll nach Ansicht der Aubesetzer gegangen werden, der uns Versorgungssicherheit und soziale Gerechtigkeit gibt?

So könnten etwa die Gewerkschafter fragen und damit Professoren und Studenten zwingen, sich der Beantwortung dieser Fragen zu stellen, und das noch in einer verständlichen Sprache.

Die Studenten wieder könnten fragen, ob all das, was heute errichtet wird, wirklich noch Sinn hat, im Dienst des Menschen steht, oder nicht zum Selbstzweck geworden ist? Wie es etwa mit Wohnungen steht, die sich niemand mehr leisten kann, nur weil moderne Fertigungstechniken am Fließband Wohnanlagen erzeugen, die nicht mehr den heutigen Vorstellungen entsprechen.

Ob die Arbeit auch heute gerecht verteilt ist und die Gewerkschaft vielleicht nur mehr jene vertritt, die Arbeit haben, und jene zu vergessen beginnt, die Arbeit suchen müssen? Oder ob nicht die Beteiligung des Staates direkt und indirekt, aber auch der Gewerkschaft durch ihre Bank, dazu führt, daß nicht nur Arbeiterinteressen zum Konflikt um Hainburg geführt haben?

Diese Fragen wieder würden die Arbeitervertreter zur Begründung ihres Standpunktes zwingen und vielleicht auch dazu führen, daß sie ihre eigene Situation überdenken.

Es mag sein, daß ein solches Uberdenken auf beiden Seiten gar nicht gewünscht wird. Daß man lieber den Konflikt hat, statt den Weg zu suchen, ihn zu bereinigen. Vielleicht will auch manch einer in seiner politischen Existenz davon leben, daß er andere Bevölkerungsgruppen diskriminiert.

Wir können nicht ohne den Einsatz und die Geschicklichkeit unserer Arbeiter leben, werden aber auch in Hinkunft immer mehr besser ausgebildete Leute brauchen, die unsere Universitäten besucht haben. Womit es auch die Arbeitsplatzsorge der Studenten gibt.

Man hat ihnen empfohlen, daß sie studieren sollen und das gleiche Recht aller dazu betont. Immer deutlicher muß man nun zugeben, daß man aber nicht für alle, die heute an der Universität sind, einen Arbeitsplatz haben wird, der ihrer Ausbildung entspricht.

Der Weihnachtsfriede hat uns Gelegenheit zur Nachdenklichkeit geschenkt. Hoffentlich ist sie genutzt worden — von allen, die dazu berufen sind. Vor allem auch von jenen, die sich sehr laut zu Wort gemeldet haben. Arbeiter und Studenten können ohne einander nicht leben - und Österreich braucht beide.

Der Autor ist Vizebürgermeister und Obmann der Wiener Volkspartei.

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