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Unruhe unter der Decke

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Sechs Wochen nach der Landtagswahl am 21. Oktober ist in Vorarlberg längst wieder der politische Alltag eingekehrt. Die Regierung wird wie bisher von ÖVP (6 Mitglieder) und FPÖ (1 Mitglied) getragen, die SPÖ drückt die Oppositionsbank, der Wald stirbt leise weiter.

Landeshauptmann Herbert Keßler hat in der letzten Woche seine Regierungserklärung abgegeben, und Kaspanaze Simma hat sich vom Dialekt zur Schriftsprache gemausert.

Das traute Bild freilich ist trügerisch — die, politische Landschaft hat sich im westlichsten österreichischen Bundesland grundlegend verändert. Doch die etablierten Parteien haben sich damit noch nicht zurechtgefunden.

Die ÖVP unter Führung von Landeshauptmann Herbert Keßler hatte alle drei Parteien zu Gesprächen über die Regierungsbildung eingeladen. Am Ende kam aber die gleiche Zusammensetzung der Regierung heraus wie vor dem 21. Oktober: Die FPÖ bildet — wiewohl von vier auf drei Mandate geschrumpft und von den Grün/Alternativen überflügelt - zusammen mit der ÖVP (20 statt 22 Mandate) die neue Landesregierung.

- Mit den Grün/Alternativen (4 Mandate) kam es gar nicht zu ernsthaften Verhandlungen über die Regierungsbeteiligung — die Alternativen lehnten von vorneherein ab, die Grünen sagten am Ende nein.

So sitzen die vier grün/alternativen Abgeordneten wie die SPÖ auf der Oppositionsbank. Denn mit der SPÖ kam Keßler auch nicht zurecht. Er bot den Sozialisten, die von zehn auf neun Mandate abgerutscht waren, nur ein, wenn auch kompetenzmäßig zu einem Superressort aufgefettetes Regierungsressort an.

In der ÖVP rätselt man weiterhin herum, wie es geschehen konnte, daß 13 Prozent der Stimmbürger zu den vereinigten Grün/Alternativen abwandern konnten, wo man das Ländle doch so mustergültig regiert hatte.

Uber eines ist man sich klar: Es gab einen gehörigen Anteil an Protestwählern, die sich von der traditionellen Politik abgewandt haben.

Daß es an der „Basis" Unruhe gibt und unter der Decke brodelt, zeigt aber die Forderung der Parteileitung des Wahlbezirks Feldkirch nach einem vorgezogenen Landesparteitag im nächsten Frühjahr. Der Schock ist- in der ÖVP, die trotz mehr als sechs Prozentpunkten Verlust die führende Kraft im Lande blieb, noch keineswegs überwunden, die Ratlosigkeit allgemein.

Nicht minder in der SPÖ, die bereits seit zehn Jahren in Opposition steht und dank des unzureichenden ÖVP-Angebots für weitere fünf Jahre dieses bittere Brot ißt. Um fünf Prozentpunkte auf ein knappes Viertel der Wählerstimmen abgemagert, ist man sich einig wie schon lange nicht, daß die Niederlage von den Genossen gemeinsam zu verantworten ist. So gibt es zwar keine aktuelle Personaldiskussion, aber die Tage des Landesobmannes, des Bre-genzer Bürgermeisters Fritz Mayer, dürften dennoch gezählt sein.

Bemerkenswert dabei ist, daß sich die SPÖ, anders als die ÖVP, ernsthaft Gedanken macht über eine Änderung ihres politischen Stils — weg vom plakativ-negativen Oppositionsstil und hin zu mehr Sachlichkeit und Differenzierung.

Relativ ruhig ist es in der FPÖ, wo man froh ist, nicht mehr Federn gelassen und den Regierungssitz gerettet zu haben.

Bleibt die Frage: Wie geht es den Grün/Alternativen?

Kaspanaze Simma weiß, daß er der Star der alternativen Szene ist. Bei der Debatte über die Regierungserklärung letzte Woche teilte er denn auch ganz locker -wenn auch bei seinem zweiten Auftritt nicht mehr im breiten Wälderdialekt — seine Zensuren aus und riß ebenso locker einige Sachthemen an. Eine- überzeugende Vorstellung aber lieferte der Bauer aus Andelsbuch bisher nicht. Vielleicht spart er dies auf seinen Vorsitz im Umweltausschuß des Landtages auf.

Spätestens bei der Rede des von den Grünen kommenden Klubobmann des grün/alternativen Viererfähnleins, Manfred' Rünzler, zur Regierungserklärung wurde deutlich, daß trotz gemeinsamer Kandidatur und Fraktion zwischen den Grünen und Alternativen Welten klaffen.

Inzwischen weiß man auch, daß der Druck der alternativen Bun-des-Szene auf das Vorarlberger Erfolgsquartett, etwa bei der Besetzung des Klubsekretariates, gewaltig ist. Kaspanaze Simma wird seiner Paraderolle, in die er durch den Wahlerfolg und die Medien gedrängt wurde, erst noch gerecht werden müssen.

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