7171049-1982_45_19.jpg
Digital In Arbeit

Unser Fuß in der Lateinamerika-Tür

19451960198020002020

8,4 Prozent seines Warenverkehrs außerhalb Europas wickelt Österreich mit Lateinamerika ab. Agenti-nien ist Spitzenreiter. Aber immer mehr nehmen kritische Fragen heute zu.

19451960198020002020

8,4 Prozent seines Warenverkehrs außerhalb Europas wickelt Österreich mit Lateinamerika ab. Agenti-nien ist Spitzenreiter. Aber immer mehr nehmen kritische Fragen heute zu.

Werbung
Werbung
Werbung

In den letzten zehn Jahren haben sich Österreichs Exporte nach Südamerika fast verdoppelt — im Weltschnitt freilich verdreifacht. Ein Grund für das relative Mißverhältnis ist das in Südamerika besonders aggressive Auf tre^ ten der Japaner. Ein anderer, wohl noch wichtigerer ist das trübe Allgemeinbild.

Galoppierende Inflations- und sinkende Produktionsraten kennzeichneten 1981 dieses Bild ebenso wie wachsende Darlehensrück-zahlnot: Insgesamt 240 Milliarden Dollar schuldet Lateinamerika Kreditgebern in aller Welt, fast ein Drittel davon allein Brasilien. Alle diese Staaten haben sich nun, vielfach von Weltbank und Währungsfonds dazu gezwungen, zur Austerity entschlossen.

In Argentinien etwa, wohin fast ein Drittel von Österreichs Lateinamerika-Exporten fließt, bedeutet dies im Moment Chancen-losigkeit für Konsum- oder gar Luxusgüter. Rohstoffe und Industriezulieferungen, Fertigungstechnologie, Instrumente, hochtechnische Metallwaren und Anlagen haben nach dem sicheren Urteil des Handelskammer-Delegierten Josef Schwald weiterhin gute Aussichten.

Und: Argentinien ist das erste Land, in dem ein Pilotprojekt für Consulting und Engineering läuft, das in den Bemühungen der Kammerorganisation um Außenhandelsförderung künftig einen Schwerpunkt darstellen wird.

Nach Brasilien konnte Österreich 1981 seine Ausfuhren um 15 Prozent steigern (ein schwaches Viertel freilich nur der Einfuhrwerte), und trotz restriktiver Importpolitik Brasilias haben nach dem Urteil des Handelsdelegierten Siegfried Hittmair in Säo Paulo Gleisbau- und Vortriebsmaschinen, Gasgroßmotoren, Förder- und Bohrgeräte weiter gute Chancen.

Zulieferungen für den Ausbau von Eisenbahnnetzen darf sich Österreich auch in Guatemala, ja in ganz Mittelamerika, und in Peru erwarten. Gleiches gilt für Kraftwerksbauten in mehreren dieser Länder.

Ein Tip des in Guatemala City stationierten Handelsdelegierten Rudolf Wiederwald, eines vieljährigen Lateinamerikakenners: die Bonität der lokalen Handelspartner genau prüfen und bedenken, daß es durch die Nicht-konvertierbarkeit der Währungen zu Zahlungsverzögerungen kommen kann!

Metallbrücken, Eisenbahnschienen, Maschinen, Edelstahlprofile, organische Chemikalien und Papier hatten erheblichen Anteil an der Verdoppelung österreichischer Ausfuhren nach Peru schon 1980.

Heuer sind sicher schwächere Zuwachsraten zu erwarten, aber Investitionsgüter in den Bereichen Energie, Bergbau und Landwirtschaft bleiben chancenreich. Die Außenhandelsstelle in Lima hat erst kürzlich ein Interessententreffen von Fachfirmen für den Kleinkraftwerksbau organisiert.

Freilich warnt Handelsdelegierter Erich Dix vor Illusionen: „Ohne Finanzierungen ist derzeit nichts zu machen. Wenn wir keine anbieten, tut es ein anderes Land bestimmt..."

Alle Handelsdelegierten (deren Vertrautheit mit Sprache und Eigenarten ihrer Gastländer immer wieder angenehm auffällt) stimmen in dem Ratschlag überein: Nicht aufgeben, wenn sich einmal konjunkturbedingt etwas spießt! Kontakte weiterpflegen, damit man sofort da ist, wenn Importbeschränkungen wieder gelockert werden. Dix: „Und wenn sich jemand für ein Geschäft echt interessiert und es persönlich hier betreibt, ist noch keiner vergeblich nach Peru gekommen!"

Wenn es nach den zahlreicher werdenden Kritikern von Großbauvorhaben geht, soll das Sel-ber-Kommen auch noch einen anderen Zweck erfüllen: Ausländische Zulieferfirmen sollten, so fordern auch systemkritische Christen in Lateinamerika immer lauter, vor Geschäftsabschlüssen die Auswirkungen solcher Projekte überprüfen:

„Wenn etwa ein Kraftwerksbau nur dem Prestigewahn dient, die Masse der kleinen Bauern aber schädigt, ist es unmoralisch, sich daran zu beteiligen."

In Brasilien habe ich mit Kritikern dieser Art viel und heftig diskutiert. Wird damit nicht jener ausländischen Einmischung neuerlich das Wort geredet, die eben erst von denselben Kritikern herb verurteilt worden ist? Wer soll bestimmen, was gut für das Volk Brasiliens ist? Würde sich die Regierung eine solche Einmischung gefallen lassen? Und wäre nicht sofort ein anderes Lieferland zur Stelle, lehnte das eine wirklich ab?

Unausgegorene Kritik, hinter der die reale Not vieler Menschen steht. Es wird trotzdem darüber ebenso ernsthaft diskutiert werden müssen wie über die Frage, ob nicht in der Vergangenheit die Leichtfertigkeit von Banken zur Uberschuldung vieler Länder ungewollt das Ihre beigetragen hat.

Solange Österreich Eisenbahnen und Kleinkraftwerke bauen hilft, muß niemand sich darüber Skrupel machen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung