7017007-1988_29_16.jpg
Digital In Arbeit

Unser Otto

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt viele begabte Österreicher, die man zu Hause nicht hochkommen ließ. Oft sind sie erst groß und berühmt geworden, nachdem sie nach Bayern abgewandert sind. Weil wir eben so gut zu Euch sind. Von denHabsburgern ist Otto der erste, auf den dies zutrifft.

Früher sind die Habsburger nicht nach München gegangen, um dort politische Karriere zu machen. Da schwebte ihnen jahrhundertelang schon eher der Anschluß“ Bayerns an ihr Imperium vor.

Hätten wir unser Bayern nicht mit blutigen Bauernaufständen und fremder Hilfe gegen den Land- und Machthunger der Habsburger verteidigt, dann gäbe es heute keinen Freistaat Bayern mehr, der es dem Sohn des letzten österreichischen Kaisers noch ermöglicht, Europapolitik zu machen.

Nach 70 Jahren ist Otto von Habsburg erstmals wieder nach Ungarn gereist, wo nach dem Ersten Weltkrieg die letzten Hoffnungen auf eine Erhaltung der Donaumonarchie endeten. Heute ist sein Besuch dort nur noch familiäre Nostalgie. Nach 70 Jahren ist zwar in Osteuropa immer noch von „Völker-Kerker“ und von Nationalitäten-Problemen die Rede, aber keiner meint mehr die Habsburger.

Otto von Habsburg ist gewissermaßen sein persönlicher Vorläufer. Mit einem Privatbesuch räumt er das Nostalgische und Spektakuläre vorzeitig aus, damit sein nächster Besuch sachlicher und politischer Natur sein kann. Im Herbst kommt er nämlich wieder nach Ungarn. Dann aber nicht mehr als lebende Erinnerung an das Herrscherhaus von Österreich- Ungarn.

Das nächste Mal kommt er nach Ungarn als Bayer. Genauer gesagt: als demokratisch gewählter Abgeordneter der bayerischen CSU im Europa-Parlament. Dann ist er nicht mehr Euer Otto, sondern unser Otto.

Wenn man bedenkt, wie erhaben und mitleidig die Habsburger Kaiser einst auf Bayern und seine Könige oder Kurfürsten herabgeschaut haben, fragt man sich schon, ob es eine große Ehre ist, als bayerischer Abgeordneter von Franz Josefs (Strauß) Gnaden Europa-Abgeordneter zu sein.

Aber wenn man andererseits betrachtet, welch beschämendes Ende andere Monarchen und ihre Sprößlinge als Party-Zierpflanzen und Illustrierten-Adel in Luxus und Halbseide genommen haben — da kann man wiederum nur Respekt haben vor einem Kaisersohn, der sich selbst die Demut eines Demokraten auferlegt. Und der für das Europa arbeitet, das seine Väter noch beherrscht haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung