Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Unser Schicksal und die Sterne
Der Autor, ein Theologe, ist zwar skeptisch gegenüber Tageszeitungshorosko-pen, rät aber trotzdem dazu, mit Pauschalurteilen über Astrologie und Sterndeuter vorsichtig zu sein.
Der Autor, ein Theologe, ist zwar skeptisch gegenüber Tageszeitungshorosko-pen, rät aber trotzdem dazu, mit Pauschalurteilen über Astrologie und Sterndeuter vorsichtig zu sein.
In den Predigten um die Jahreswende konnte ich wiederholt die Klage hören, wie sehr der Glaube an Gott geschwunden sei, dafür aber der Aberglaube in Form der Astrologie mit den Horoskopen, den Sternzeichen usw. blühe. In diesem Zusammenhang hörte ich auch den altbekannten Spruch, daß der Aberglaube beim Fenster hereinkomme, wenn der Glaube bei der Türe hinausgejagt würde.
Nun kamen mir doch beim Zuhören einer solchen Predigt Zweifel, ob man so reden könne; immerhin ist die Astrologie weit älter als das Christentum. Und müßte nicht der Prediger genaue Kenntnisse haben über diese Wissenschaft - denn als solche muß man sie zweifellos bezeichnen, denn auch die Theologie wül als solche anerkannt werden -, wenn er sie in Bausch und Bogen in das Reich des Aberglaubens versetzt?
Mir war also nicht wohl dabei. Denn wer vermag zu ergründen und auszuloten, welche geheimnisvollen Zusammenhänge zwischen den Himmelskörpern und uns bestehen? Daß der Mond auf uns einen Einfluß ausübt, auf den einen mehr, auf den anderen weniger, bestreitet heute kaum mehr jemand; und die Erscheinungen von Ebbe und Flut auf der Erde sind sogar wissenschaftlich als Folgen des Mondeinflusses erwiesen.
Und wenn der Mond schon so wirkt, warum nicht auch die Sonne? Daß Eruptionen auf der Sonne unseren Funkverkehr stören, ist ebenfalls schon allgemein anerkannte Tatsache. Und wenn die Sonne, warum nicht auch die anderen Planeten?
Wenn wir alles, was wir nicht wissen oder auch nur deshalb nicht wissen, weil wir die der Fachwelt ohnedies schon bekannten Tatsachen nur nicht erfahren haben, als Aberglauben bezeichnen würden, bliebe für den Glauben, für den es ja auch keine Beweise gibt, nicht mehr viel übrig. Es ist erst wenige Jahrhunderte her, daß wir das richtige (?) Verhältnis von Erde und Sonne kennen. Was Galilei deshalb von der Kirche auszustehen hatte, ist sattsam bekannt und soll möglichst wenig in Erinnerung gerufen werden.
Spätestens seit damals sollten Pauschalurteile über Phänomene, die in den Bereich der Natur gehören und wir nicht oder noch nicht verstehen, möglichst vermieden werden. Diesen Fehler machen aber nicht nur die Prediger, sondern im Fall der Astrologie auch die Astronomen, die sich sehr gut in den Sternen auskennen, aber eben auch nur die eine Seite der Wahrheit (Was ist Wahrheit?), die sich messen und berechnen läßt. Die Mondsüchtigkeit mancher Menschen aber ist auf jeden Fall unberechenbar.
Am meisten verwunderte mich der Umstand, daß diese Predigt mit der Aburteilung der Astrologie nach dem Evangelium gehalten wurde, in dem zu hören gewesen war, daß ein Stern die Magier zur Krippe geleitet hatte. Man bedenke, ein Stern, das Objekt der Astronomie und in diesem Fall vor allem der Astrologie, da dieser Stern nicht nur einer unter anderen Sternen war, sondern ein Stern mit einer ganz bestimmten, ja man kann sagen, epochalen Bedeutung.
Und dann erst die Magier. Was waren das für Leute? Allgemein wird angenommen, daß es keine Könige waren, sondern Weise des Orients; man höre und staune: die Einheitsübersetzung bezeichnet sie als Sterndeuter, also eindeutig als Astrologen. Wahrhaftig ein „passendes" Evangelium, um gegen die Astrologen zu Felde zu ziehen. Jesus war hier anscheinend anderer Ansicht; er hat sie zu sich gelassen und Geschenke von ihnen angenommen.
Ich sehe hier nicht meine Aufgabe, unbedingt der Astrologie das Wort zu reden, aber um eindeutig dagegen Stellung beziehen zu können, dazu weiß ich zuwenig. Ich weiß nur, daß es auch so sein könnte, wie die ernstzunehmende Astrologie behauptet (darunter verstehe ich nicht die täglichen Horoskope in den Zeitungen) und daß ich vor allem keinen Widerspruch zwischen dem Glauben an Gott und dem möglichen Einfluß der Sterne auf uns Menschen sehe.
Denn wenn hier ein Zusammenhang besteht, und vieles deutet darauf hin, daß der ganze Kosmos eine Einheit darstellt, die wegen der ungeheuren Größe nur nicht einsichtig ist, dann liegt das auch im Schöpfungsplan Gottes. Das sage ich als Theologe. Wir haben nicht darüber zu befinden, was Gott in der Schöpfung gut und richtig gemacht hat und was nicht, zumal wir erst — wenn wir die Zeit von der Erschaffung der Welt bis heute in 24 Stunden hineinpressen könnten — seit einem Bruchteil einer Sekunde wissen, daß sich die Erde um die Sonne dreht.
Sparsamkeit in Urteilen dieser Art tut not, wenn wir uns eine weitere Blamage galileischen Ausmaßes ersparen wollen. Das gilt nicht nur bezüglich Urteilen in Richtung Astrologie...
Dr. theol. Anton Gölles ist Assistent im Pastoralamt der Diözese Graz Seckau.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!