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Unser Skandal-Image und die Welt

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Österreichs Ansehen in der internationalen Staatenwelt hat durch die vielen Skandale der letzten Zeit stark gelitten. Dabei stellt gerade dieses Ansehen einen Grundpfeiler unserer Außenpolitik dar. Nun gilt es, dem Ausland zu zeigen, daß unsere Institutionen sehr wohl zur Selbstreinigung fähig sind.

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Österreichs Ansehen in der internationalen Staatenwelt hat durch die vielen Skandale der letzten Zeit stark gelitten. Dabei stellt gerade dieses Ansehen einen Grundpfeiler unserer Außenpolitik dar. Nun gilt es, dem Ausland zu zeigen, daß unsere Institutionen sehr wohl zur Selbstreinigung fähig sind.

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Österreichs Diplomaten treten bei internationalen Konferenzen auf, vertreten unsere Interessen im bilateralen Bereich oder sind als Vermittler tätig. Diese Aktivitäten werfen die Frage auf, mit welchem Gewicht die Außenpolitik unseres Landes tätig werden kann, worin denn eigentlich ihre Stärke begründet liegt.

Konsultiert man dazu Handbücher der Außenpolitik oder wissenschaftliche Publikationen, so treffen sie dazu fast übereinstimmend eine Aussage: Die Legitimation der Außenpolitik ist in der Staatsräson begründet, ihre Stärke hängt von dem dahinterstehenden militärischen Potential ab.

Für eine vernünftige österreichische Außenpolitik hat diese Vorstellung wohl keine Aussagekraft. Eine vernünftige österreichische Außenpolitik kann weder auf der Machtpolitik noch ausschließlich auf der Staatsräson aufbauen.

In Mitteleuropa hat seit dem zweiten Weltkrieg eine geistige Revolution stattgefunden, die bewirkt, daß für die Staaten dieses Raumes der Einsatz militärischer Macht zur Erreichung außenpolitischer Ziele eine Denkunmöglichkeit geworden ist. Das ist gut so.

Das entbindet uns aber nicht der Frage, worin nun die Stärke unserer Außenpolitik liegen kann, wenn sie nicht in der militärischen Macht begründet ist. Können wir, ohne uns auf militärische Macht abzustützen, einen qualifizierten Beitrag zur Gestaltung der internationalen Beziehungen leisten?

Ich gehe von der These aus, daß jene Stärke, die für Großmächte in ihrer müitärischen Macht begründet ist, für unser Land in seinem Ansehen liegt, das wir in der internationalen Staatenwelt genießen. Das soll den Stellenwert der Landesverteidigung nicht schmälern. Ihre Rolle zum Schutz der Unabhängigkeit ist klar definiert.

Die nächste Frage lautet nun, worin das Ansehen unseres Landes begründet sein kann. Worin ist das Ansehen anderer Länder begründet, das der Schweiz, das Dänemarks, warum beurteilen wir die Rolle Rumäniens, der DDR, oder Spaniens so, wie wir es tun?

Es sind wohl vor allem die internen Verhältnisse dieser Staaten, die ihren Ruf nach außen begründen. Wie tüchtig Diplomaten auch immer die Vertretung ihrer Länder nach außen wahrnehmen, es sind doch vielfach die Leistungen, die in den Ländern selbst erbracht werden, ihre soziale Situation oder die Art der internen Konfliktlösung, die das Ansehen nach außen begründen.

Es sind wohl vor allem drei Bereiche, die die inneren Verhältnisse eines Landes bestimmen und starke Wirkungen nach außen haben: der innere Friede, die wirtschaftliche Entwicklung, der Stellenwert der Kultur.

• DaßdieAufrechterhaltungdes inneren Friedens nicht nur für unser Land selbst, sondern auch für die internationale Umwelt von größter Bedeutung ist, ist schon daraus ersichtlich, daß fast alle internationalen Krisenherde ihren Ursprung in innerstaatlichen Konflikten haben. Das gilt vom Libanon bis Nikaragua und von den Philippinen bis Afghanistan. Interne Spannungen in diesen Ländern führten zu ausländischen Interventionen.

Ein wesentlicher Teil des Ansehens unseres Landes ist somit darin begründet, daß wir durch die interne Stabilität einen Beitrag zur Stabilität in der gesamten Region leisten.

# Neben dem inneren Frieden sind wohl auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes, die Kraft unserer Wirtschaft ein Beitrag zur sozialen Stabilität und auch zur außenpolitischen Bedeutung.

Gefahr der Abkoppelung

Wenn selbst im letzten offiziellen außenpolitischen Bericht von der Strukturkonservierung der österreichischen Wirtschaft die Rede war, von der langsamen Anpassung an die Tendenzen der Weltnachfrage, dann zeigt dies bereits ein gewisses Gefahrenelement auf. Die Verschlechterung einer Wettbewerbsstruktur kann nämlich sehr leicht die Gefahr einer Abkoppelung mit sich bringen. Im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit unseres Landes muß es daher wohl darum gehen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. • Neben der Erhaltung des inneren Friedens und der wirtschaftlichen Leistungskraft bestimmt wohl auch das Bild, das die österreichische Kultur prägt, unsere Rolle im Ausland.

Es ist wohl einerseits die künstlerische Kreativität, die in Österreich selbst entfaltet wird, aber auch die Darstellung nach außen, die hier zum Tragen kommt. Welche Ausstrahlungskraft hat die österreichische Kultur?

Das Kulturbudget der Gemeinde Wien beträgt im Jahr 976 Millionen Schilling, das operative Kulturbudget des Außenministeriums liegt bei jährlich 20 Millionen. Ist hier nicht eine zu große Diskrepanz gegeben? Andererseits beträgt der Jahresbeitrag Österreichs zur UNESCO 26 Millionen Schilling. Unsere Kulturinstitute in den Nachbarländern .erhalten jährlich für ihre Tätigkeit kaum mehr als 50.000 Schilling.

Es ergibt sich somit nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern auch im kulturellen die Notwendigkeit, stärkere Anstrengungen zu unternehmen, um das Ansehen unseres Landes und damit die wesentliche Grundlage unserer Außenpolitik zu festigen und zu fördern.

Wenn es nun den Generationen seit dem Zweiten Weltkrieg durchaus gelungen ist, das Ansehen Österreichs so zu verankern, daß es ein außenpolitischer Faktor wurde, dann ist es umso bedauerlicher, wenn die Skandale der letzten Jahre nunmehr ein Ausmaß angenommen haben, das das bisher Erreichte stark beeinträchtigt.

Wenn internationale Medien bei der Darstellung des Weinskandals direkt an die Reder-Affäre anschließen, wenn unsere juristischen und politischen Institutionen so dargestellt werden, als wären sie zu einem Selbstreinigungsprozeß nicht fähig, dann wird so unser Ansehen im Ausland und damit ein Grundpfeiler unserer Außenpolitik untergraben. Wie gesagt: Unsere Außenpolitik kann sich nicht auf Macht abstützen und ist mehr als andere auf das Ansehen angewiesen, das wir haben.

Bewältigung der Zukunft

Wie soll es weitergehen? Es muß nun darum gehen, dem Ausland zu zeigen, daß unsere demokratischen Institutionen sehr wohl zur Selbstreinigung in der Lage sind.

Die Republikfeiern wurden vor allem dazu benutzt, die Vergangenheit zu feiern und zu bewältigen. Es ist wohl an der Zeit, neben der Bewältigung der gegenwärtigen Probleme zur Bewältigung der Zukunft überzugehen. Dies vor allem auch deshalb, weil die Zukunft nicht so gefahrlos sein muß, wie die Vergangenheit der letzten Jahre manchmal erschienen ist.

Gibt es nicht Kräfte, die auf eine Isolierung Österreichs hinarbeiten? Eine institutionelle oder wirtschaftliche Abkoppelung von den Europäischen Gemeinschaften könnte dazu genauso beitragen wie ein Inselbewußtsein, ein Insel-der-Seligen-Bewußtsein, das den Österreichern immer wieder eingeredet wird.

Es wäre an der Zeit, den Menschen auch zu sagen, daß Anstrengungen notwendig sind, um international Schritt zu halten. Die Sicherheit und Unabhängigkeit unseres Landes dürfen nicht nur auf eine Schönwetterperiode abgestimmt sein.

Gibt es nicht auch zu denken, wenn Meinungsumfragen immer wieder klar zeigen, daß viele Menschen unseres Landes auch einen ideologischen Neutralismus für zweckmäßig halten? Ernst Ko-ref und Julius Raab haben sich bei der Beschlußfassung über die Neutralität im Parlament am 26. Oktober 1955 klar ausgesprochen: Die Neutralität darf nicht zu einem Neutralismus der Gesinnung, der Weltanschauung führen; sie darf nicht die Brutstätte einer Gesinnung der Gesinnungslosigkeit werden.

Gerade ein Land in der geographischen Position Österreichs braucht eine Außenpolitik, die auch für Schwierigkeiten gerüstet sein muß. Die Generation nach 1945 hat das ihre getan, um den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden und dafür auch Opfer gebracht. Es liegt an uns, den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.

Der Autor ist Generalsekretär des ÖAAB und Mitglied des außenpolitischen Ausschusses des Nationalrates.

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