7040796-1990_15_16.jpg
Digital In Arbeit

Unser Super-Amadeus

Werbung
Werbung
Werbung

Schon seit Jahren klopft ein musikalischer Mauerspecht an, der seine Offensive mit einem Bombar- dement von Schokoladekugeln ein- geleitet hat. 200 Jahre nach seinem Tod wird er 1991 seine immer schon unverkennbare Schelmerei ins Gigantomanische steigern: Mozart als austrif izierte Kreuzung von Till Eulenspiegel mit Andy Warhol.

Der Rückgriff vergreift sich als Vorgriff. Da gibt's kein Halten mehr. Der Kuß der ganzen Welt, den Schiller Beethoven geliehen und dieser zur Freudenfanfare der Frei- heit stilisiert hat, wird jetzt zum Bussi für Wolferl - und eine ganze Nation infantilisiert sich in Ver- traulichkeiten für den perückenge- zierten Knabenmann, den die Alt- vorderen aus Salzburg verjagt und in Wien ins Massengrab geschmis- sen haben.

Doch da kennt die österreichi- sche Seele keinen Genierer. Kein Denkmalschutz für Mozart. Wer als Künstler die Frechheit besessen hat, am Leben trotz aller Widrigkeiten auch noch Spaß zu haben, ermun- tert den schrankenlosen Populis- mus der Postmoderne. Schon na- hen sabbernd die kulturpolitischen Leichenfledderer, festredend, kranzniederlegend und steinenthül- lend.

Und an Großzügigkeiten, für die Mozart einst dankbar ein Dutzend Sinfonien geschrieben hätte, man- gelt es nun nicht für allerlei aktio- nistischen Spektakel, der sich als Kunst ausgibt. Wollt ihr den tota- len Amadeus? Gemalt, gehaut, ge- formt, gestrahlt, auf den Nacht- himmel projiziert, als Andre-Hel- ler-Luftballon, als die größte Mo- zartkugel der Welt fürs Buch der Rekorde? Das interstellare Happe- ning, den Mond grün anstreichen und die Planeten violett, die Sonne blau gesprenkelt, der Salzburger Dom mit Zebrastreifen und die Salzach blutrot eingefärbt - und dazu spielen 200 Saxophone 24 Stunden lang ununterbrochen das Menuett aus „Don Giovanni", als Klangwolke verstärkt über ganz Mitteleuropa.

Zum Schluß versteigert die ver- einigte japanische Autoindustrie die ersten 1.000 Exemplare ihres neu- en Sportwagens „Amadeus" auf dem Dachsteingletscher zugunsten der „Volkshilfe" oder für „Licht ins Dunkel", woran sich ganz zwang- los ein „Cafe Central" anschließt, bei dem Ernst Marboe einen Scha- manen aus dem Himalaja vorführt, aus dem unmittelbar der Geist Mozarts spricht und auch ganz all- gemein zur österreichischen Kul- turpolitik Stellung nimmt.

Versteht sich, daß für diese und andere Veranstaltungen noch eini- ge potente Sponsoren gesucht wer- den, um den doch nicht ganz unwe- sentlichen Aufwand mitzutragen. Die Rüstungsindustrie hat ihre Unterstützung davon abhängig gemacht, daß einer ihrer Bosse in einer von Karl Löbl kommentier- ten Einlage die Arie des Sarastro „ In diesen heiigen Hallen kennt man die Rache nicht" singen darf. Im Playback - und englisch mit deut- schen Untertiteln.

Eine bereits durchgeführte Mei- nungsumfrage „Was können wir Österreicher von Mozart lernen?" hat interessante Ergebnisse ge- bracht. Mit 92 Prozent der Antwor- ten steht an erster Stelle „Nur kei- ne falsche Bescheidenheit", mit 87 Prozent an zweiter Stelle „Die Arbeitsplätze in der Süßwarenin- dustrie müssen gesichert werden" und mit 81 Prozent immer noch bemerkenswert weit vorne „Im Wunschkonzert sollen öfter Pot- pourris aus Mozart-Opern gespielt werden". Durch sehr geringe Zu- stimmung (0,8 Prozent) votierten die Österreicher bei dieser Umfra- ge hingegen für zeitgenössische Musik. Die Kleidung der Besucher halten 47 Prozent bei Opernauf- führungen für das wichtigste. Die Widersprüche bleiben offen. Sicher ist nur eines: daß wir ihn verinner- licht haben wie keinen anderen Komponisten, unseren Super- Amadeus.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung