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Unsichtbare Gegner

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Meinte der 18jährige Hubert St. anläßlich einer Podiumsdiskussion zum Thema „Kommt die Jugendarbeitslosigkeit?" sarkastisch: „Solange nicht die Kinder der Politiker selbst davon betroffen sind werden diese Damen und Herren wahrscheinlich nicht begreifen, was das für einen jungen Menschen bedeutet".

Es ist als würde man Gespenster verjagen wollen, Fabelwesen, an deren Existenz eigentlich ohnedies niemand so recht glaubt - unsichtbaren Gegnern gleich, von denen Skeptiker befürchten, daß sie eines (nicht mehr allzu fernen) Tages hinterrücks und unerwartet losschlagen.

Unerwartet?

Das Phänomen Jugendarbeitslosigkeit geistert bereits seit geraumer Zeit durch die Lande vor allem durch jene der Europäischen Gemeinschaft: Im Durchschnitt sind es knapp vier von zehn Arbeitslosen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, im sonnigen Italien liegt der Anteil der Jugendlichen an den Arbeitsplatzsuchenden gar bei fünfzig Prozentpunkten -was bei rund 6,2 Millionen EG-Arbeitslosen (Stand Mai 1980) auf knapp zweieinhalb Millionen Jugendliche schließen läßt, die betroffen sind.

Von den nicht vorgemerkten beziehungsweise gemeldeten ganz zu schweigen.

Obwohl man's eigentlich nicht sollte: Denn nicht ihrer Ausbildung entsprechend Berufstätige sollten zumindest in einer eigenen Statistik erfaßt werden,

Erschreckende Prognose

so sie unfreiwillig in den fremden Job gerutscht sind. Und Mithelfer im Familienbetrieb, in der Landwirtschaft, die fallen überhaupt im Regelfall durch den Rost. ..

Die österreichische Öffentlichkeit aber bleibt gelassen, die politische Prominenz übt sich in Zurückhaltung: Der erschreckenden Prognose der Wirt-schaftsuniversitäts-Herren Clement, Kaluza und Ahammer aus dem heurigen Frühjahr, bis zum Jahre 1985 123.000, bis 1990 gar 145.000 zusätzliche Arbeitsplätze für rund 53.000 Akademiker, 90.000 Maturanten und 101.000 Absolventen berufsbildender mittlerer Schulen zu schaffen, sind bislang noch keine Großtaten gefolgt.

Ob mancherorts darauf gebaut wird,

daß einfach mehr als die prognostizierten 995.000 Menschen aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden?

„Wer bestimmt, wann Jugendarbeitslosigkeit beginnt?" hatte ein Aktivist der Katholischen Arbeiter-Jugend (KAJ) bereits im Jahre 1975 beim KAJ-Weltrat im oberösterreichischen Linz ins vollbesetzte Plenum gefragt.

Die Antwort ist bis heute unbefriedigend geblieben, wie auch der Vorsitzende des Bundesjugendringes, Küberl, zugeben muß: „Die Möglichkeiten, die wir haben, sind sehr beschränkt. . . denn das Problem ist sicher das, daß die Jugendlichen nur vor Wahlzeiten interessant sind . . ."

Dabei sind's die „kleinen Fälle" des

Die,,kleinen Fälle"

Alltags, die aufrütteln müßten: Etwa die Hausgehilfin, die vierzehn Tage vor ihrer 10jährigen Anstellung entlassen wurde und deshalb keine Abfindung erhielt.

Oder ein Lehrling, der nach der gesetzlichen Behaltefrist wieder vor die Tür gesetzt wurde und nunmehr als Gelegenheitsarbeiter „je nach Auftragslage weiter mitarbeiten" durfte.1

Oder der Hauptschulabsolvent, der gerne Tischlerlehrling geworden wäre, aber im gesamten politischen Heimatbezirk keine entsprechende Stelle gefunden hat.

Oder das Mädchen, das als fertige Akademikerin nunmehr schon über ein halbes Jahr auf Jobsuche ist.

Und das sind nur einige Fälle aus meinem Bekanntenkreis.

Zugegeben, Patentlösungen zu finden in Zeiten sich ankündigender wirtschaftlicher Rezession ist schwierig. Zugegeben, die Zeiten sind vorbei, wo eine bestimmte Ausbildung auch eine dementsprechende Berufslaufbahn versprach.

Aber so einfach, wie sich's manche hierzulande machen indem sie auf das -regional und spartenmäßig völlig divergente - Uberangebot an offenen (Lehr-) Stellen gegenüber jugendlichen Arbeitslosen verweisen, und vom Studium an der Universität abraten ... so einfach also ist die ganze Angelegenheit wiederum auch nicht.

Denn schließlich geht's um die Zukunft von Menschen und Mitbürgern.

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