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Unterwegs im Bio-Dschungel

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Ein runzeliger, angestochener Apfel muß kein Bio-Apfel sein; und nicht alles, was die Vorsilbe „Bio" schmückt, verdient tatsächlich diese, aus dem Griechischen stammende Bezeichnung für „Leben". Der Konsument knüpft an Bio-Produkte den Wunsch nach naturbelassenen Lebensmitteln für ein gesünderes Leben. Wie allerdings aus einer Studie der Bundesanstalt für Bergbau-ernfragen (Autor Michael Zoklits, selbst Bio-Bauer) hervorgeht, ist der Kauf von Bio-Ernährung gar nicht so einfach. Mangelndes Wissen und fehlende, glaubwürdige Information erschweren die Orientierung im Bio-Dschungel.

Die Umfrage zeigt, daß der Konsument oft nicht zwischen echten Produkten aus biologischem Landbau und Pseudo-Bioprodukten unterscheiden kann. So werden etwa Lammfleisch und Vollkom generell als „Bio" angesehen, der Ab-Hof-Verkauf und der Bauernmarkt werden mit der Vorstellung von biologischer Landwirtschaft verknüpft. Nur knapp ein Drittel der Befragten kennt die in Österreich vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht für biologische Produkte.

Worin liegt nun wirklich der Unterschied zwischen biologischem und konventionellem Landbau? „Beim biologischen Anbau werden keine chemischen Dünge- und Spritzmittel verwendet", betont Joseph Hoppich-ler von der Bundesanstalt.

„Grundsätzlich unterscheidet man zwei Systeme: den bereits vor rund 70 Jahren entwickelten biologisch-dynamischen Anbau und die später einsetzende organisch-biologische Bewirtschaftung." Eine Lebensphilosophie, die Anthroposophie des Rudolf Steiner Anfang dieses Jahrhunderts, war erster Impuls für die Bio-Welle. Die Erkenntnisse des Übersinnlichen, wie sie schon Goethe gesucht hat, sollen für alle Lebensbereiche nutzbar gemacht werden, auf pädagogischem, medizinischem, künstlerischem Gebiet ebenso wie für die Wirtschaftsweise im Landbau.

Künstliche Düngung wird als Vergiftung des Bodens angesehen. Organische Stoffe, vor allem Kompost und Zusatzstoffe wie Hommehl, aber auch homöopathische Mittel werden verwendet. Man beachtet beim Anbau die Mondphasen und geht von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Natur aus. Heute sind diese Produkte mit dem Zeichen „Demeter" ausgewiesen und werden verbandintern streng kontrolliert.

Der organisch-biologische Anbau geht von einem soziologisch-ökonomischen Standpunkt aus. Es wird aufbereiteter Naturdünger verwendet; Mischbau, verschiedene Fruchtfolgen und Zwischenfrüchte nützen den Boden wirtschaftlich aus, ohne Raubbau zu betreiben. Die Schädlingsbekämpfung besorgt die Natur selbst, so fressen bekanntlich Marienkäfer Läuse; Vögel, Ameisen, bestimmte Wespenarten und Mikroorganismen ersetzen giftige Spritzmittel. Die Produkte sind mit „Ernte für das Leben" ausgewiesen.

Die Bezeichnung „aus kontrolliertem Anbau" sagt hingegen nichts über die Art der Erzeugung aus. Obwohl die Kontrolle von Bio-Produkten im Lebensmittelgesetz verankert ist und die einzelnen Bio-Verbände - vor kurzem wurde als Dachorganisation die Arge Bio-Landbau gegründet -selbst auf Bio-Qualität achten, fordert Hans Iiiig vom Verband der organisch-biologisch wirtschaftenden Bauern „strengere gesetzliche Richtlinien, um die zahlreichen Pseudo-produkte auszugrenzen".

In der Produktpalette dominieren Getreide- und Vollkornsorten, sie bilden meist den Einstieg in den Bio-Speisezettel. In der Beliebtheit folgen dann Gemüse, Obst, Eier, Fleisch und Milch, oft recht teure „Delikatessen", die dazu nicht immer leicht zu bekommen sind. Die Schar der BioKäufer nimmt immer mehr zu und es zählen dazu nicht nur „Grüne" und „Latzhosenträger". Wie die Umfrage ergab, rekrutieren sich heute die Käufer aus drei verschiedenen Gruppen: Studentenhaushalte, junge Familien mit meist relativ hohem Bildungsniveau, aber oft geringer Kaufkraft und Haushalte mit erwachsenen Kindern, hoher Kaufkraft und starker Außenorientierung.

Trotz des steigenden Appetits auf Bio-Gerichte wird derzeit nur ein Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, etwa 30.000 Hektar, von BioBauern bearbeitet. Auf den übrigen 99 Prozent der Felder wird chemisch gedüngt und gespritzt. In den letzten 40 Jahren hat sich der Düngemittelverbrauch versechsfacht und der Verbrauch an Spritzmitteln sogar verachtfacht. „So kann es nicht weitergehen", warnt vor dieser Entwicklung Professor Alfred Haiger von der Universität für Bodenkultur in Wien. Er empfiehlt dringend einen biologischen Landbau. „Bio" soll Leben bedeuten, natürliches Leben für Pflanzen, Tiere und damit auch für den Menschen.

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