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Unterwegs mit Marc Aurel

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Dem von der österreichischen Akademie der Wissenschaften vom 14. bis zum 21. September veranstalteten 14. Limes-Kongreß in Bad Deutsch-Altenburg ist es zu verdanken, daß möglich wurde, was längst schon fällig gewesen war: Daß nämlich die in den letzten Jahren von Forschern des österreichischen Archäologischen Instituts in Carnuntum geborgenen Fundgegenstände ausgestellt werden. Dies geschieht zwar nicht in einer einzigen repräsentativen Ausstellungshalle und auch nicht für jene Dauer, in der normalerweise Wanderausstellungen aus fernen Ländern von heimischen Besuchern besichtigt werden können. Die Zeugen des bedeutendsten römischen Legionslagers auf österreichischem Boden und die Relikte der römischen Provinz Oberpannoni-en, die man so gerne als das „Pompeji vor den Toren Wiens“ bezeichnet, sind größtenteils nur so lange zu sehen, als die Kongreßteilnehmer aus den Nachfolgestaaten Roms tagen, in denen die Legionen einst ihre Reichsgrenzen durch Wehrbauten abgesichert hatten.

Sehen werden die angereisten Althistoriker und Provinzialar-chäologen Fundgegenstände, die

„Ein bisher unbekanntes Reiterlager sorgt für eine wissenschaftliche Sensation“ Herma Stiglitz, Leiterin der Ausgrabungen, dort dem Boden entrissen hat, wo man von der Hauptstraße (Bundesstraße 9) von Hainburg kommend, das Ortsgebiet von Petronell betritt und wo heute Siedlungshäuser stehen. Dort hat die Forscherin vor Baubeginn unter Anwendung des Denkmalschutzgesetzes in eineir Serie von Notgrabungen in allergrößter Eile ein bis dahin unbekanntes Reiter-(Auxiliar-) Lager freigelegt und damit für eine wissenschaftliche Sensation gesorgt.

Die Ausstellung ist am 14. September für geladene Gäste und die rund 200 Kongreßteilnehmer aus der Bundesrepublik Deutschland, aus England, der CSSR, aus Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien und Nordafrika reserviert; vom 15. bis zum 21. September zwischen 14 und 18 Uhr kann dann auch die breite Öffentlichkeit all das in Augenschein nehmen, was von der zur Unterstützung der regulären Legionstruppen gegründeten zweiten militärischen Anlage in Carnuntum übriggeblieben ist.

Die freigelegten steinernen Mauern dieses Kastells mußten wieder zugeschüttet werden, aber die Funde sind bedeutend: neben AlltagsWare wie Koch- und Speisegeschirr aus Keramik, Ziegelstempeln, Schmuckanhängern und Amuletten sowie verschiedenen Waffen werden auch eine inzwischen meisterhaft restaurierte Eisenmaske und ein Paradehelm gezeigt: Prunkstücke der militärischen Ausrüstung, wie sie bei Begräbnisfeierlichkeiten und Festveranstaltungen der Reiterei von den Römern getragen wurden.

In Schloß Petronell werden die ebenfalls von Herma Stiglitz gemachten Funde von der ehemaligen Gräberstraße vorgestellt. Sie dokumentieren, daß die Toten während des 1. und 2. Jahrhunderts n.Chr. zumeist verbrannt wurden, während man sie später— unter Einfluß christlicher und orientalischer Religionen — in Körpergräbern, und zwar in Steinsarkophagen mit. dachförmigen Deckeln, bestattet hat.

In Schloß Ludwigsdorf hingegen wird all das präsentiert, was Manfred Kandier in der Legionssiedlung (canabae) gefunden hat. Eines der ansprechendsten Stük-ke ist der Kopf einer Statuette aus Sandstein, die aus dem orientalischen Kultbezirk am westlichen Ortsrand von Bad Deutsch-Altenburg stammt und entweder eine Kybele oder die Magna Mater darstellt.

Das Museum Carnuntinum, das seit Jahresbeginn von Werner Jobst geleitet wird, zeigt die einzige bis zum 30. Oktober laufende Ausstellung. Sie hat den Titel „Das Heiligtum des Jupiter auf dem Pfaffenberg“ und umfaßt die von Jobst aufgedeckten bedeutenden Skulpturen und Architekturteile des Carnuntiner Bergheiligtums. Zahlreiche Inschriften beziehen sich auf das sogenannte Blitz- und Regenwunder, mit dessen Hilfe am 11. Juni 172 n. Chr. Marc Aurel die Quaden besiegen konnte. Die imposanten Funde zeigen auch, daß die Carnuntiner für das rettende Unwetter allj ährlich mit einem Fest vor dem Jupiter-Tempel auf dem Pfaffenberg gedankt haben; auch das für den Kaiser errichtete Ehrenmal sollte an den Aufenthalt Marc Aurels in Carnuntum und an das Wunder erinnern.

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