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Unvermeidlich: Neutralitätsdebatte
Die letzten Widerstände gegen die Blauhelme in Kroatien sind gefallen. Via Österreich beginnt eine kostenintensive Befriedungsaktion. Doch „Jugoslawien" hat mehr Probleme als das serbisch-kroatische. Die Balkan-Bombe tickt weiter.
Die letzten Widerstände gegen die Blauhelme in Kroatien sind gefallen. Via Österreich beginnt eine kostenintensive Befriedungsaktion. Doch „Jugoslawien" hat mehr Probleme als das serbisch-kroatische. Die Balkan-Bombe tickt weiter.
Was bleibt von dem, was Jugoslawien war, wenn der Krieg zwischen Serbien und Kroatien gebremst sein wird, wenn Blauhelme, in Sarajewo stationiert, ihre Posten in den Krisengebieten Slawonien und Krajina bezogen haben? Was wird, wenn zwischen den Serben in Kroatien und denen in Belgrad der Konflikt um die Zukunft der serbischkroatischen Ko-Existenz auf kroatischem Boden vertieft würde? Wenn das Referendum, das die EG Bosnien auferlegt hat, nicht zustande kommt? Wenn die serbischen Bosnier sich daran nicht beteiligen und die kroatischen Bosnier auch nicht? Den Katalog solcher Fragen müßte man fortsetzen bis zur Weigerung Athens, ein selbständiges Mazedonien zuzulassen, und bis zum existentiellen Problem der Albaner im Kosovo. Und schließlich gehört die Frage nach Serbiens Zukunft dazu.
Slowenien ist der einzige Silberstreif an diesem sonst düsteren Horizont. Mit ungeheuren Problemen im wirtschaftlichen Bereich und bei der Entwicklung eines Demokratieverständnisses wird dieser neue Staat wohl doch eines Tages vorankommen.
Vorläufig scheint die Ankunft der Blauhelme schon im voraus auf beiden kriegführenden Seiten, der serbischen und der kroatischen, die Gewißheit auf zumindest einen Sieg zu stärken. Unter ihrem Schutz sollen sowohl die Armee als auch alle Arten von Freischärlern entwaffnet werden. Die lokalen Polizeieinheiten sollen wieder errichtet werden in der nationalen Zusammensetzung, die der Zeit vor dem Bürgerkrieg entsprach. Allein diese Bestimmungen des UN-Friedensplans enthalten eine Menge Explosionsstoff. Dazu kommt die Forderung, daß Kroaten, die aus ihren Heimatdörfern fliehen mußten, wieder zurückkehren sollen.
Wie stellen sich das die Herren am Grünen Tisch wohl vor? Nicht nur sind die Häuser und die Infrastruktur der meisten Dörfer zerstört, die Serben haben ja inzwischen serbische Ansiedler einquartiert. Wie sollen die Blauhelme wohl dieses Problem in der Praxis lösen? Das Konzept entspricht offenbar einem Wunschkatalog der kroatischen Führung.
Die Serben wiederum hoffen, daß die Blauhelme lang genug ohne sichtlichen Erfolg in den von serbischen Einheiten „eroberten" Gebieten bleiben werden, bis der politische Dialog die neuen Grenzen dieser mehr oder weniger „serbisch" gewesenen oder gewordenen Gebiete fixiert.
Gleichzeitig aber sind in Zagreb und in Belgrad neue Nuancen zu registrieren, die auch nicht unbedingt Anlaß zu Hoffnung auf eine wirkliche Lösung der Konflikte bieten.
Die serbische Führung um Milosevic ist ganz offensichtlich in großer Bedrängnis. Die serbische Bevölkerung wird immer ungeduldiger - der kostspielige Krieg hat Serbiens Wirtschaft und seinen Ruf in der Welt ruiniert. Die serbisch-orthodoxe Kirche intrigiert nach allen Seiten gegen die „Bol-schewisten" am politischen Ruder. Die Albaner im Kosovo hingegen gewinnen an internationaler Sympathie und Stütze und entsprechend *n Selbstbewußtsein.
Der Plan, ein drittes Jugoslawien aus einer Allianz zwischen Montenegro und Serbien zu bilden, der sich Bosnien und Mazedonien anschließen könnten, ist ein Akt der Despara-tion. Zwei Entwicklungsregionen und zwei, die nicht dabei sein wollen, sollen dann den Anspruch auf die internationale Nachfolge des zerfallenen Jugoslawien antreten. Gleichzeitig versucht die serbische Führung gegenüber den Vertretern aus dem Kosovo einen „neuen" Kurs einzuschlagen, der sich zur Zeit darin manifestiert, daß ohne ausdrückliche Weisung von oben der albanische Schulunterricht im Kosovo in den Grundschulen wieder aufgenommen werden kann. Weil es aber diese Weisung nicht gibt, können mancherorts die albanischen Kinder und ihre Lehrer unbehelligt bleiben, an anderen Orten hat die lokale Polizei freie Hand, dies zu verhindern.
Zagreb wiederum scheint seine Position in Bosnien zu radikalisieren. Signale in Richtung einer „Kantonisierung" dieser Republik mit den drei staatstragenden Nationen, die aber nicht fein säuberlich von einander getrennt sondern in einem durch die Jahrhunderte gewachsenen Gemisch, hat Präsident Tudjman selbst gegeben. Damit aber wäre der Bürgerkrieg bereits programmiert.
Mazedonien wird voraussichtlich die Anerkennung als eigenständige Republik in absehbarer Zukunft erwarten können. Erst allerdings müssen die EG-Politiker Griechenland von seiner Mitverantwortung für die Stabilität am Balkan überzeugen. Denn Mazedonien wird ohne internationale Stütze unmittelbar betroffen sein, wenn der Kosovo-Konflikt explodieren sollte. Etwa 35 Prozent der Bevölkerung in Mazedonien sind Albaner, sie protestieren zu Recht gegen Diskriminierung, ihre radikalen Vertreter verlangen schon jetzt den Anschluß an Kosovo.
Und das Kosovo-Drama wird noch immer in Europa nicht als das Pulverfaß erkannt, das es ist. Wenn es dort nicht -ebenfalls mit internationaler Unterstützung - zu einer für die gedemütigten und erregten Albaner akzeptablen Lösung kommt, dann ist es weder der EG noch der UNO gelungen, den Frieden und die Stabilität im Südosten unseres Kontinents zu sichern.
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