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Unwürdig für Österreich

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Amnesty international (ai) appelliert an die österreichische Regierung, die Asylpraxis wieder auf internationale Standards abzustellen.

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Amnesty international (ai) appelliert an die österreichische Regierung, die Asylpraxis wieder auf internationale Standards abzustellen.

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Mit seiner Asylpolitik verletzt Österreich seine Verpflich-.tungen gemäß der Genfer Konvention und international üblicher Standards", kommentiert Wolfgang Aigner, Generalsekretär der Osterreichischen Sektion von ai, trocken das stetige Schulterklopfen im Innenministerium. Insbesondere die österreichische Praxis der Bückschiebung von Asylsuchenden liegt ihm im Magen.

Nach Auffassung des Innenministers ist Österreich nur von „sicheren Drittländern" umgeben. Wer von dort kommt, hat in der Alpenrepublik keine Chance, jemals Asyl gewährt zu bekommen. Statt dessen geht es zurück über die Grenze. Was dort mit ihm passiert, betrifft nicht mehr Österreich. Auch wenn bei Ländern wie Ungarn bekannt ist, daß sie die Genfer Flüchtlingskonvention nur bei europäischen Ländern anwenden. Was Asylwerbern bleibt, ist die illegale Einreise.

Ständig würden Asylsuchende in ihre Herkunftsländer zurückgeschoben, selbst wenn es sich dabei um Länder wie den Iran, den Irak oder Syrien handle, kritisiert Aigner. „Dabei weiß jeder um die Menschenrechtssituation in diesen Län-

dern Bescheid." Österreich ignoriere damit das Rückschiebungsverbot, wie es in der Genfer Flüchtlingskonvention, in der Europäischen Menschenrechtskonvention und im Fremdengesetz festgehalten ist.

„Schlimm", findet Aigner auch die in anderen westeuropäischen Ländern nicht übliche Praxis, Asylverfahren in der Schubhaft abzuwickeln. „Es scheint so zu sein, daß es sich dabei um eine erklärte Absicht des Innenministeriums handelt", so Aigner. Soweit bekannt, würden täglich mehrere hundert Flüchtlinge in Schubhaft gehalten.

Bei Besuchen in der Schubhaft hat amnesty festgestellt, daß auch immer wieder Jugendliche, halbe Kinder, in Schubhaft genommen würden. Das österreichische Fremdengesetz kennt dafür kein Mindestalter. Daß dann noch, wie „profil" berichtet, stillende Mütter von ihren Babys getrennt werden, damit die Mütter ebenfalls in Schubhaft genommen werden können, findet Aigner nur noch „barbarisch. So etwas stelle ich mir in Ländern vor, wo Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, aber doch nicht in Österreich!"

Daß sich die Alpenrepublik bei ihrer Asylpraxis auf europäische Standards beruft, läßt Aigner nicht gelten. „Österreich geht leider in der Praxis weit unter die Regelungen in Europa", erklärt der ai-Generalse-kretär und begründet das auch: So funktioniere in Österreich die Asyl-

Antragstellung an der Grenze nicht. Auch genüge für die Abschiebung die „kurze Berührung eines sicheren Drittstaates". Zudem würden Asyl-werber „regelmäßig" in Schubhaft genommen. So etwas gebe es weder in der Schweiz noch Deutschland.

Auffällig sei auch die österreichische Praxis, daß Behörden bereits bei der Antragstellung auf Asyl ein sogenanntes „Heimreisezertifikat" bei den jeweiligen Herkunftsbotschaften beantragen. Es gebe darüber Berichte, daß Familien in den Herkunftsländern daraufhin bedroht und Angehörige verhaftet würden, kritisiert Aigner das österreichische Vorgehen. „Manchmal", merkt der Generalsekretär an, „fragt man in der Botschaft gar nicht mehr an und schickt die Leute gleich zurück, egal ob die sie haben wollen oder nicht."

Kopfschütteln löst bei Aigner, das Argument aus, die Politiker müßten auch auf die „öffentliche Meinung" Rücksicht nehmen. Die wenigen, die noch durchkommen, könnten doch keine „Bedrohung" mehr sein, verweist er auf die dramatisch gesunkenen Zahlen bei den Antragstellern auf Asyl und den tatsächlich anerkannten Flüchtlingen. Derzeit befinden sich laut Innenministerium 3.000 Flüchtlinge in Bundesbetreuung, im Dezember 1990 waren es noch 15.000. „Wenn man die Öffentlichkeit mit diesen Fakten konfrontiert, wird sich doch niemand mehr finden, der das in Ordnung findet", meint Aigner.

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