6934562-1983_05_01.jpg
Digital In Arbeit

„Urangst Frau“

Werbung
Werbung
Werbung

In Fragen wie Ehescheidung, Empfängnisregelung u. ä. erleben Frauen die Kirche als „autoritär und hart, gefühllos und mitleidlos, mehr interessiert an der Aufrechterhaltung von Wahrheit und Lehre als am schwachen Menschen.“

Das stellte kürzlich eine von der Bischofskonferenz eingesetzte Laienkommission in einem offiziellen Bericht fest — in Großbritannien. In Österreich fehlen solche Töne. Auch der von Diözese Linz und Katholischer Frauenbewegung am 28. und 29. Juni im Schloß Puchberg bei Wels getragene Katholikentags-Studientag zum Thema „Frau in Kirche und Gesellschaft“ bewies es.

Aber er bewies auch: Die Probleme sind da, auch wenn weniger grobschlächtig über sie geredet wird. Den milden Akzent im Ton setzte Herlinde Pissarek-Hude- list, Theologiedozentin aus Innsbruck, im Einleitungsreferat eine Spur zu unkritisch.

„Solange Frauen protestieren, erwarten sie sich noch etwas von der Kirche, und die Kirche sollte ihnen mehr geben als nur e,in schlechtes Gewissen.“ Das war ihr vielleicht kühnster Satz.

Für Konkretisierungen sorgten freilich die Debatten im Plenum und in den Arbeitskreisen. Schon schriftliche Stellungnahmen aus den Diözesen zu dem als Diskussionsgrundlage vorbereiteten Thesenpapier ( FURCHE Nr. 4, S. 8) hatten Konkretheit verlangt und geliefert.

Aus allen Bistümern kam der Wunsch, Frauen zur Diakonatsweihe zuzulassen. Alle fordern ein weiteres Studium der Frage, ob Frauen zu Priestern geweiht werden können, wogegen es ja keine dogmatischen, nur historische Argumente gebe.

Das Motto „Zeichen sind wichtiger als Stellungnahmen“ fand viel Beifall. Solche Zeichen wären Lektorinnen, Kommunionspen

derinnen, Ministrantinnen auch bei der Papstmesse (was fix geplant ist). Nur in der Diözese Innsbruck gibt es noch keine Kommunionspenderinnen.

Erstaunlicherweise hatte keine schriftliche Stellungnahme das Thema Ehe- und Sexualmoral eingemahnt. Bei der Tagung geschah es massiv. „Sexualität ist gottgewollt“, schrieb ein Arbeitskreis fest. „Schon Kinder sind zur Annahme und zum Umgang mit ihrer Geschlechtlichkeit zu erziehen.“

Ein anderer Kreis forderte eine eigene Arbeitstagung zum Thema

Sexualität „mit pastoralen Auswirkungen“. Ein weiterer forderte Bekämpfung der Abtreibung auch durch umfassende Information über Grundsätze und Methoden der Empfängnisregelung.

„Die patriarchalisch denkende Kirche hat eine Urangst vor der Frau. Die Grundlage dieser Urangst ist die Angst vor der Sexualität, die sie in der Frau verkörpert sieht.“ Das stellten einige junge Frauen fest, die zuvor das Plakat „Hoffnungslos“ an einer Saalwand befestigt und einen Arbeitskreis verlassen hatten, in dem sie sich unverstanden fühlten. Das Plenum zollte ihrem Engagement starken Beifall.

Viel wurde über Partnerschaft zwischen Mann und Frau in Fami- lie und Gesellschaft ausgesagt: daß absolute Wahlfreiheit zwischen Berufstätigkeit oder exklusiver Haushalts- und Erziehungsarbeit bestehen, Alleinerziehern besonders geholfen, auch der bewußt allein lebenden Frau volle Achtung erwiesen werden müsse, daß dem nicht berufstätigen Elternteil natürlich ein Anteil am Lohn des Alleinverdieners zustehe.

Angesichts steigender Scheidungsraten und immer häufigeren Zusammenlebens ohne Trauschein wurde das Interesse der Partner und der Gesellschaft an Ehe und Familie hervorgehoben, für gescheiterte Partnerschaften aber „Helfen statt urteilen“ gefordert.

Obwohl Diözesanbischof Maximilian Aichern das „ungeheuer starke, imponierende Engagement“ vieler Frauen in der Kirche rühmte, verlangten die Teilnehmerinnen von sich selbst noch mehr Bereitschaft zur Mitarbeit in Kirche und Gesellschaft.

Die Problemkomplexe Arbeitslosigkeit sowie „Partnerschaft mit älteren Familienmitgliedern“ brachte Diözesanbischof Johann Weber (Graz) in die Debatte ein: „Was soll man jungen Frauen sagen, die liebend gern Kindergärtnerinnen oder Lehrerinnen werden möchten, obwohl es keine Plätze für sie gibt?“

Eindeutig überwog die Auffassung, daß das Problem der Arbeitslosigkeit nicht durch die Parole „Frauen zurück in den Haushalt!“ zu lösen sei.

In einer souveränen Zusammenfassung der von Inge Loidl locker abgewickelten Tagung begrüßte Eva Petrik den partnerschaftlichen Geist aller Diskussionsbeiträge: „Was zu ändern ist, wollen wir nicht allein, nicht gegen die Männer ändern.“

Daß nur rund zehn Prozent der 250 Tagungsteilnehmer Männer waren, spricht nicht gegen die Frauen, sondern für die Wichtigkeit gezielter Bewußtseinsveränderung.

Erzbischof-Koadjutor Franz Jachym (Wien) formulierte daher in der Schlußpredigt einen zentralen Satz: „Nicht die Kirche muß sich ändern, die Männer, die Entscheidungsträger in der Kirche müssen sich ändern.“ So etwas steht nicht einmal im britischen Thesenpapier.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung