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Uruguay, eine Republik die sich entvölkert

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Die Haltung der südamerikanischen Regierungen gegenüber der Diskriminierung durch Carter wegen Verletzung der Menschenrechte wird andern Beispiel Uruguays bes anders klar. Zwar wird der kleine RuSer- staat weiter von seinen großen Nachbarn umworben. Der argentinische Präsident, Generalleutnant Jorge Rafael Videla, wird gegen Ende Juni in Montevideo erwartet, ebenso ist ein Treffen zwischen dem uruguayischen Präsidenten Dr. Mėndez und dem brasilianischen General Ernesto Geisel vorgesehen. Aber der argentinische Außenminister, Vize-Admiral Cėsar Augusto Guzzetti, erklärte bei seinem kürzlichen Besuch in Montevideo, daß die von der „nordamerikanischen Einmischung“ diskriminierten Länder weder gemeinsame Fronten noch Allianzen (gegen USA) bilden würden. Der uruguayische Außenminister Alejandro Rovira ging sogar so weit, die Beziehungen zwischen Uruguay und USA als weiterhin „cordia- les“ („herzlich“) zu bezeichnen. Offensichtlich ist man bei dieser Auseinandersetzung auf beiden Seiten bemüht, eine krisenhafte Zuspitzung zu vermeiden.

Während also jede politische Blockbildung abgelehnt wird, hat jedoch der Kommandant der uruguayischen Marine, Vize-Admiral Hugo Märquez, eine Union zwischen den südamerikanischen Flotten, eine „Kollektiv-Marine“, vorgeschlagen, die aus der argentinischen, bolivianischen, brasilianischen, chilenischen, peruanischen und uruguayischen Flotte bestehen soll.

Der Grad der Vereinigung dürfte freilich von den verschiedenen Regierungen sehr unterschiedlich ausgelegt werden. An eine echte militärische Integration ist nicht zu denken.

Im Gegensatz zu Argentinien, wo Terrorakte der Rechts- und Linksextremisten das Gefühl der Sicherheit unterminieren, herrscht in Brasilien und in Uruguay Ruhe. Die „Subversion“ ist besiegt. Aber die Offiziere behaupten, daß sie die Guerrilleros nur militärisch ausgeschaltet hätten.

während der Terrorismus als politische Gefahr fortbestehe. So fahren in Montevideo weiter regelmäßig Patrouillenwagen durch die Straßen. Mit. den i vier Tageszeitungen*, die überlebt häben, wird eine Broschüre in Fortsetzung verteilt. Auf dem Titelblatt sieht man Flammen über zerstörten Häusern aufsteigen. Als Herausgeber zeichnet ein „Ausschuß der Chefkommandanten“. Der Titel der Broschüre lautet: „La Subversiön“ (,Der Aufstand“). In dieser Flugschrift, von der bis jetzt sechs Folgen erschienen sind, wird die Organisation und die Planung der „Tupama- ros“ an Hand beschlagnahmter Dokumente dargestellt, um zu beweisen, wie die „Sozialistische Volksrepublik Uruguay“ ausgesehen hätte, wenn die „Tupamaros“ gesiegt hätten.

Der frühere Wirtschaftsminister Ingenieur Alejandro Vegh Villegas, der durch die weitgehende Liberalisierung der Wirtschaft beachtliche Erfolge erzielt hat, hielt kürzlich eine optimistische Rede.

Tatsächlich sind aber die Lebenshaltungskosten im ersten Vierteljahr 1977 weiter gestiegen.

Die Chancen für eine Normalisierung sind gering, weil die Produktivkraft des Landes durch die Abwanderung seiner besten Kräfte gelähmt ist. Es gibt kein Einwohnermeldeamt, so daß genaue Ziffern über die Zahl der Auswanderer fehlen. Erhebungen des staatlichen Statistischen Amtes ergeben aber, daß die Arbeitsfähigen von etwa einem Drittel der Montevi- deaner Familien emigriert sind. Hauptziel war bis 1975 Argentinien. Die Facharbeiter zogen danach vor allem nach Australien und Canada, während die Akademiker USA und Spanien bevorzugten. Aber auch in Brasilien und Venezuela haben sich in den letzten Jahren relativ große uruguayische Kolonien gebildet. Der Ausfall der wirtschaftlich aktivsten Elemente führt zu einer ungesunden Struktur der Bevölkerung.

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