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Väter, eure Kinder brauchen euch!

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Viele Untersuchungen weisen auf die große Bedeutung des Vaters hin.

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Viele Untersuchungen weisen auf die große Bedeutung des Vaters hin.

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„Kinder in der Krise" : So lautete das Schwerpunkt-Thema einer der Nummern des US-amerikanischen Wochenmagazins „Fortune". Die USA sind, was die Auflösung der Familie anbelangt, den Europäern um eine Nasenlänge voran. Und daher können sie die Verheerungen, die dadurch in der Seele der Kinder angerichtet werden, überdeutlich erkennen. Ein Schlüssel zur Behebung der Misere: Mehr Engagement der Väter.

Wie kann man das erreichen? Üblicherweise macht man den Männern Vorhaltungen. Erst kürzlich hat ihnen eine Untersuchung der Universität Linz ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Österreichische Männer kümmerten sich im Durchschnitt pro Woche kaum zwei Stunden um ihre Kinder. Am Wochenende würden sie sogar zu ,Minutenvätern'. Bei der Kinderbetreuung sei der Durchschnittsvater kaum eine echte Entlastung. „Die familiäre Verweigerung des Vaters, sei sie physisch oder psychisch, kann heute als einer der bedeutsamsten Faktoren, der die gesunde Entwicklung des Kindes gefährdet, angesehen werden," resümiert eine andere einschlägige Untersuchung.

Dieser Vorwurf mangelnden Engagements wird heute immer häufiger durch Studien über Frauen- und Kindesmißhandlung ergänzt. Sie lassen langsam das Image entstehen, Gewalttätigkeit sei das einzig relevante Kennzeichen des Mannes.

Keine Frage: Es gibt Mißbrauch und es gibt Desinteresse. Leider. Aber wäre es nicht viel wirksamer, das Positive hervorzukehren, Männer damit zu locken, daß man sie auf die Größe und Faszination ihrer Aufgabe als Väter hinweist?

Denn immer noch sehnt sich eine überwiegende Mehrheit der Menschen nach einem erfüllten Familienleben. Eine Ende 1987 veröffentlichte Untersuchung über „Werthaltungen und Lebensformen in Österreich" zeigt, daß zwei von drei Befragten meinen, „man brauche Familie, um glücklich zu sein".

Es gilt, den Männern also bewußt zu machen, wie wichtig sie für die Entwicklung ihrer Kinder sind. Und dafür gibt es Hinweise in jeder Menge. Je mehr die Familien zerfallen, umso deutlicher wird ja, wie dringend Kinder Mütter und Väter brauchen. Einige Beiträge der Schriftenreihe des „Instituts für Sozialdienste" zum

Thema „Vater" lassen dies deutlich erkennen. Sogar für Kleinkinder ist der Vater schon von Bedeutung: Schon bei sechs Monate alten Buben, für die sich ihre Väter interessieren, stellt man fest, daß sie vifer sind als vaterlos aufwachsende. Später sind es vor allem die Väter, die ihre Söhne zu selbständiger Betätigung ermuntern.

Väterliche Förderung begünstigt die Leistungsfähigkeit ihrer Kinder.

Eines ist jedenfalls offenkundig: Beide Elternteile gehen unterschiedlich mit ihrem Nachwuchs um. Väter neigen dazu, ihre Kinder stärker als die Mütter an- und aufzuregen. So ist es auch verständlich, daß die Gefühlsreaktion der Kinder anders zum Vater als zur Mutter ausfällt. Denn die mütterliche Pflege ist gewöhnlich sanfter, tröstender und beruhigender. Kinder tanken bei ihren Müttern gefühlsmäßig auf, bei ihren Vätern wiederum lernen sie, in die Welt hinauszugehen.

Besonders wichtig ist der Vater in der Phase der Ablösung der Kinder. Man kann „davon ausgehen, daß die Entwicklung zum Mann positiv mit dem Maß an Wärme und Zuneigung korreliert, die der Vater dem Sohn gibt... Väterliches Sorgeverhalten kann sich auch positiv auf andere Aspekte der individuellen Entwicklung des Kindes auswirken, einschließlich der kognitiven Fähigkeit und der beruflichen Laufbahn." (Peter Reinelt, Psychologe und Psychotherapeut)

Ratschlag an die Väter: Zeigt ruhig Gefühle! und zwar nicht nur negative. Die Beziehung zum Vater ist entscheidend für die Ausrichtung der Söhne, für ihre Geschlechtsrollenidentifikation. „Die Eltern gut angepaßter Männer, die als selbstbewußt, kompetent, optimistisch beschrieben wurden, hatten eine gute Beziehung zueinander, die Väter waren verfügbar, sie gewährten ihren Söhnen Selbständigkeit."

Besondere Bedeutung kommt den Vätern auch im Umgang mit ihren Töchtern zu, worauf die Psychotherapeutin Gertrud Würbel hinweist. Der Vater sei immer noch der erste Mann und Märchenprinz im Leben seiner Tochter, meint sie. Und diese erste Liebesgeschichte präge ganz entscheidend die zukünftigen Beziehungen des Mädchens zu anderen Männern. „Die Tochter braucht einen Vater, den sie als Liebesperson erleben kann, um ihre Liebe zu geben und um geliebt zu werden. Sie braucht einen Vater, den sie als Modell für Identifikation und zur Gewissensbildung nutzen kann, wenn sie von ihm bewundert wird, mit ihm wetteifert und schließlich seine Verbote und Normen akzeptiert."

Ein guter Vater wird jedoch nicht nur den Umgang mit seinen Kindern pflegen, sondern ein wichtiger Teil seiner Aufgabe ist es auch, in die Beziehung zu seiner Frau zu investieren: „Das Gefühl für das erwachende Selbst der kleinen Tochter... entfaltet sich umso störungsfreier, je eindeutiger sich die Eltern sowohl zu ihrer Generation wie zu ihrem Geschlecht bekennen können, je offener sie die jedem Geschlecht eigene Entfaltungsweise bejahen und fördern... Nicht zu unterschätzen ist auch der tiefe Einfluß des Vaters auf die Beziehung der Mutter zum Kind. Eine Mutter, die sich auf die gemeinsame Elternschaft verlassen kann und nicht alles allein auf ihren Schultern tragen muß, die sich von ihrem Ehemann als Mutter und als Frau angenommen fühlt, wird die Beziehung zu ihrem Kind positiver erleben und gestalten können, als wenn dies nicht der Fall ist." (Würbel)

Ist das nicht eine attraktive Herausforderung? So können Männer wirklich Wertvolles für konkrete Personen leisten. Wieviele berufliche Tätigkeiten, die uns vordergründig so wichtig erscheinen, können ähnliches bieten? Dazu beizutragen, daß das Leben anderer Menschen gelingt -kann es für einen Mann eine größere Aufgabe geben?

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