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„Väterchen, wie ist das?"

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(fmg)-Mit dem russisch-orthodoxen Metropoliten Pitirim habe ich in den Jahren 1982 bis 1986 mehrmals gesprochen. Er war gern gesehener Gast beim Ökumenischen Arbeitskreis für Information in Europa, trat in Wien und anderswo bei den vom Sozialethiker Rudolf Weiler veranstalten Friedensforschungssymposien auf und empfing eine illustre Journalistenrunde aus Österreich in „seinem" Verlagshaus in Moskau.

In den Jahren der Umgestaltung ab März 1985 und erst recht nach dem Zerfall der Sowjetunion tauchte immer wieder der Verdacht auf, Metropolit Pitirim sei ein Agent des Geheimdienstes KGB gewesen. Noch immer ist er Abgeordneter des vor der Wende in bewährter Methode gewählten Volksdeputiertenkongresses.

Aus bestens informierten Kreisen in Moskau konnte die FURCHE erfahren, daß der Vorwurf, Pitirim sei KGB-Agent gewesen, nicht stimme. Ein Moskauer Informant: „Wir haben es hier in der ehemaligen Sowjetunion nicht so gründlich gemacht wie die ostdeutsche Stasi. Die Kirche hatten wir sowieso fest im Griff; was konnte auch ein Pope schon wissen und weitererzählen?"

Drei Apparate befaßten sich im alten Regime mit den Kirchen: die ideologische Abteilung der KPdSU, der Rat für kirchliche Angelegenheiten (zuständig für

die offizielle Administration) und das allgegenwärtige KGB. „Wenn wir was wissen wollten", so der Informant aus Moskau, „brauchten wir keinen Kirchenmann eigens dafür anzuwerben. Das war nicht nötig. Wir haben einfach jemanden geholt und gefragt: Also, Väterchen, wie ist das?"

Metropolit Pitirim, berichtet ein Bekannter, sei so intelligent, daß er es, wäre er KGB-Agent gewesen, sicher weiter gebracht hätte.

Auf die Frage an unseren Gesprächspartner, der anonym bleiben wollte, ob das KGB auch Bischöfe „gemacht" habe, kommt die zweideutige Antwort: „Jeder hätte zum Bischof gemacht werden können. Aber da gab es mehr Tricks: Wir konnten jemandem die Aufenthaltsgenehmigung entziehen, wenn er sich nicht kooperativ verhielt; gesetzlich war das selbstverständlich immer abgesichert. Und keiner konnte wirklich nachweisen, daß er aus religiösen Gründen verfolgt wurde."

„Was den kommunistischen Staat zusammenhielt, war die Angst. Und da mußte ja irgendwann einer kommen, der den ganzen Unsinn versteht. Und das war Gorbatschow. Er hat alles ins Rollen gebracht - und die Kontrolle verloren. Ohne Gorbatschow hätte sich auch in kirchlichen Angelegenheiten - trotz des Papstes aus Polen - nichts bewegt."

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