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Valladares ruft nach Freiheit

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Als ich am letzten internationalen PEN-Kongreß in Lyon teilnahm, trat plötzlich eine freundliche Dame auf mich zu, der man weder die wirkliche Prinzessin, die sie ist, noch ihre Rolle—Märchenprinzessin für die eingekerkerten Schriftsteller — ansieht. Denn sie ist die Sekretärin des internationalen und permanenten PEN-Komitees in London, dessen Aufgabe es ist, die ärgsten Auswirkungen der Unterdrükkung von Geistesfreiheit in dieser unserer Welt zu bekämpfen.

Die freundliche- Dame fragte mich, ob ich bereit sei, den von meinem verstorbenen Freund Peter von Tramin behandelten „Fall" eines politischen Häftlings in Argentinien zu übernehmen und weiterzuführen. Natürlich war ich bereit und um der ausgleichenden Gerechtigkeit willen übernahm ich auch gleich den zweiten Fall eines Schriftstellers, der von einer Linksdiktatur eingekerkert wurde.

Mein" Argentinier heißt Horacio Ciafardini und infolge der Bemühungen des Peter von Tramin, vor allem aber infolge der Tüchtigkeit des österreichischen Botschafters in Buenos Aires und besonders des in dortigen literarischen Kreisen weit bekannten und geachteten österreichischen Diplomaten Hans Brunmair ist der Fall eigentlich bereits halb erledigt.

Die argentinischen Behörden haben den politisch unliebsamen Häftling aus der über tausend Meilen entfernten tropischen Gefängniseinsamkeit in ein vergleichsweise nahe, nur eine Autostunde von Buenos Aires entferntes Gefängnis verlegt, wo er von seiner Frau besucht werden und verschiedene Erleichterungen und Ermutigungen erhalten kann. Ja, wäre er bereit, Argentinien zu verlassen, vielleicht wäre es sogar schon gelungen, seine völlige Freilassung durchzusetzen.

Sehr viel schwerer und trauriger ist es mit meinem zweiten, meinem kubanischen „Fall" bestellt. Armando Valladares war dreiundzwanzig Jahre jung, als er — wahrscheinlich sogar ohne ordentliches Gerichtsverfahren — i960 zu dreißig Jahren Kerkers verdammt wurde. Davon hat er nun einundzwanzig Jahre abgebüßt, das heißt die weitaus längste Zeit seines Erwachsenseins hat er hinter Gefängnismauern verbracht.

Als Castro 1979 angeblich alle politischen Häftlinge begnadigte, da war er nicht unter den 3600 Freigelassenen des winzigen Landes, weil er sich weigerte, das sogenannte „Rehabilitierungsverfahren" zu durchlaufen, über das ein eigener Bericht fällig wäre.

Seit Jahren im Kerker, gelähmt, ohne medizinische Betreuung, verschlechtert sich sein Gesundheitszustand langsam aber andauernd.

Als es ihm einmal gelang, ein Buchmanuskript mit dem Titel .Aus meinem Rollstuhl" aus dem Gefängnis zu schmuggeln und als dieses dann in den USA veröffentlicht wurde, verbot man ihm nicht nur Bü<jher und Schreibutensilien, sondern übten die kubanischen Behörden „Sippenhaftung" in einer Weise, die dem strammsten SS-Führer Eifersucht abnötigte. Seine Mutter und seine Schwester hatten Erlaubnis erhalten, Kuba zu verlassen. Man händigte ihnen alle Papiere aus, man ließ sie auf den Flugplatz fahren, man ließ sie das Flugzeug besteigen — dann erst holte man sie zurück.

Dieser Haß, obwohl natürlich so falsch wie alles, wofür diese Unterdrücker stehen, ist doch verständlich: nichts schadet den verlogenen Phrasen von der Klassen-und Völker-,3efreiung" mehr als wenn konkrete Wahrheiten wie etwa über den eingekerkerten Schriftsteller Valladares in die Öffentlichkeit dringen.

Der arme, hilflose, im Kerker zum Krüppel gewordene Armando Valladares, der auch nicht mehr schreiben darf, wirkt dennoch wie ein Stück glühenden Stahls, das die papierene Heuchelei der Humanitätsbeteuerungen in Asche verwandelt. Und es ist gerade dieser Umstand, der zeigt, auf welch schwachen Füßen die brutale Gewalt doch offenkundig steht, da sie so sehr das Bekanntwerden einer solchen Wahrheit fürchtet.

Dieser Umstand zeigt aber zugleich, wieviel jeder einzelne, jeder kleine einzelne, wenn er nur wirklich will, zur Befreiung des Schriftstellers Valladares beitragen kann. Man muß nur einen bekannten Journalisten überzeugen, darüber zu schreiben, einen bekannten Politiker oder Diplomaten einer wirklich freien Regierung bestimmen, zu intervenieren. Einer allein kann es freilich nicht leisten, aber wenn es so weit ist, daß, immer wenn der Name Kubas oder Castros fällt, die erste Assoziation sein wird „Valladares", dann wird auch mein zweiter „Fall" seiner Lösung nahe sein. Helft mir, Valladares helfen!

Der Autor ist Professor für Germanistik an der Universität von Albany/New York.

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