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Vandalismus hausgemacht

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An einer burgenländi-schen Hauptschule haben Schüler ihre Drohung wahrgemacht: Zum Schul-schluß wurden Fußboden und Inventar demoliert. Das ist kein Einzelfall.

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An einer burgenländi-schen Hauptschule haben Schüler ihre Drohung wahrgemacht: Zum Schul-schluß wurden Fußboden und Inventar demoliert. Das ist kein Einzelfall.

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Schulschluß ist immer die Zeit für Bilanzen. Da häufen sich nicht nur tragische Schülerselbstmorde, reihenweise laufen auch Kinder aus Angst vor den Reaktionen ihrer Eltern auf ein schlechtes Zeugnis von zu Hause weg.

Aber genauso atmen entnervte Lehrer auf, endlich ihren Schützlingen für eine Weile entfliehen zu können, um neue Kräfte für den „stillen Krieg im Klassenzimmer" zu sammeln (FURCHE, 26/1983).

Daß Lehrer Angst vor ihren Schülern haben, ist fast noch ein Tabuthema. Aber wenigstens wird heute darüber und die Ursachen dafür — wenn auch wenig — geredet.

In diesem Zusammenhang wird ein Thema von den Schulbehörden weiterhin beharrlich unter den Teppich gekehrt: der Vandalismus in den heimischen Klassenzimmern.

Dabei haben diese zerstörerischen Verhaltensweisen der Schüler Ausmaße angenommen, daß zum Beispiel die Gemeinde Wien pro Jahr Millionenbeträge zur Schadensbehebung vorsehen muß.

Wenn es Reaktionen auf die Zerstörungswut in den Klassen gibt, dann nur extreme Standpunkte: Entweder werden kaputte Sessel, abgebrochene Mauerek-ken und mutwillig verstopfte Klosettanlagen als Kavaliersdelikte bewegungsfreudiger Kinder

abgetan oder es wird der Ruf nach „einsperren" laut.

Der Vandalismus bleibt natürlich nicht aufs Klassenzimmer beschränkt. Klagen häufen sich auch bei Schulschikursen, wo Sessellifte und Schihütteninventar in die Brüche gehen. Ein Lied weiß auch das Wiener Stadtgartenamt von den Millionenschäden zu singen, die jährlich in Parkanlagen und auf Kinderspielplätzen angerichtet werden.

Um dieses Problem wenn schon nicht in den Griff, dann wenigstens ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, haben sich die ÖAAB-Lehrer an den Wiener allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) zu einer Initiative entschlossen. Da mit der Bestrafung der Schuldigen, falls überhaupt jemand ausgeforscht wird, der Zerstörungswut in den Schulen kein Einhalt geboten werden kann, haben die Lehrer in Zusammenarbeit mit Psychologen nach Ursachen für das Schülerverhalten und möglichen Lösungen gesucht.

Die Jugendlichen klagen darüber, mit ihren schulischen Problemen oft nicht fertigzuwerden. Diese Uberforderung führt entweder zu innerer Vereinsamung oder eben zu Zerstörungswut.

Agressives Verhalten ist nicht immer bloß Bosheit, sondern meist auch ein versteckter Hilferuf nach mehr Aufmerksamkeit.

Die Lehrer müssen daher mehr als bisher persönlich auf die Kinder eingehen. Das kann nur geschehen in kleineren Klassen und durch entsprechende Ausbildung der Junglehrer.

Die Eltern sollen durch mehr Informationen über schulische Aktivitäten zur Zusammenarbeit mit den Schulen gewonnen werden. Lehrer und Eltern sollen gemeinsam den Mut aufbringen, den Schülern Grenzen zu setzen.

Darüber hinaus müssen gesetzliche Regelungen für Aktivitäten außerhalb des Schulbetriebes geschaffen werden. Oft sind Lehrer bereit, ihre Freizeit mit den Schülern zu verbringen. Sie sind aber dabei durch kein Gesetz bei möglichen Unfällen abgedeckt.

Kinder äußern oft ein großes Bedürfnis nach Verantwortung und Selbständigkeit. Daher sollte nach Meinung der Wiener Lehrerinitiative das selbständige Arbeiten mehr gefördert werden. Versuche haben gezeigt, daß bei der Verwaltung der Schulbibliothek durch die Schüler selbst bedeutend weniger Bücher verschwanden und das Bibliotheksinventar heil blieb.

Lehrerangst und Schüleraggressionen können aber nicht allein durch kleinere Klassen und weniger Bürokratie, durch mehr Eingehen auf den einzelnen und Kooperation abgebaut werden: Die von Unterrichtsminister Helmut Zilk schon öfter angekündigte „innere Schulreform" darf nicht immer im Versprechen stek-kenbleiben.

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