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Vandalismus und Gleichgültigkeit

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Angesichts so mancher Unruhen in unseren Nachbarländern müßte man sich als Österreicher zumindest die Frage stellen, ob denn in unseren Breiten alles so wunderbar ist, daß wir - das sind die Bürger - uns nicht zu Wort melden brauchen; oder ob wir, falls dem doch nicht so ist, vor lauter Staunen nur die Sprache verloren haben.

Es dürfte eher letzteres zutreffen, „denn sonst hätte die ganze Wiener Ringstraße voll von Leuten sein müssen, als der Skandal um das AKH be- ‘ kannt geworden ist!" Das meinte jedenfalls Schauspieler Herbert Fux im Mai bei einer Diskussion im österreichir sehen Gewerbeverein zum Thema „Bürgerpolitik - Illusion oder Chance?" in Wien. Und es nickten alle Zuhörer.

Tatsache ist, daß auch in unserem Land genug passiert ist, was mündige Bürger nicht so ohne weiteres hätten hinnehmen sollen. Trotzdem wird das meiste hingenommen. Es gilt daher nach den Wurzeln und Ursachen dieser „scheinbaren" Gleichgültigkeit zu suchen; „scheinbar", nur deshalb, weil in den eigenen vier Wänden und am Wirtshaustisch doch ganz andere Ausdrücke, fernab von jeder Indifferenz, fallen.

Die Meinungen darüber gehen sehr auseinander: Die Gemäßigteren glauben, daß der Österreicher ein Ja-Sager-Typ sei, daß die Distanz zu den Parteien zu groß sei, oder daß uns gar eine lange Untertanentradition (bis zu Bruno I.) verfolge. Kurz gesagt, sie geben sich dem „fatum" hin - womit sie überdies beweisen, daß sie in Latein und Geschichte aufgepaßt haben.

Die Radikaleren schlagen einen anderen Ton an: Sie spüren einen großen Druck durch die Allgegenwart der Parteien in Österreich - 1,4 Millionen Österreicher sind stolze Besitzer eines Parteibuches - und behaupten, daß in vielen Fällen für Geld geschwiegen werde. Das klingt zweifellos auch plausibel - die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte.

Wer heute eine Bürgerinitiative gestartet hat, der kann ein Lied davon singen, welche Hürden er überwinden mußte und auf wieviel amtliche Widerstände er gestoßen ist.

Der Weg in die politische Öffentlichkeit ist voll Dornen - dem stimmen alle Beteiligten zu, dem stimmten auch im konkreten Fall alle Diskussionsteilnehmer zu.

So geben die meisten frühzeitig auf oder wählen undemokratische Mittel.

Die Ausdauer, sich durchzubeißen, bringen hingegen nur wenige auf

Und das ist nicht ganz unverständlich: Wer opfert schon gerne seine Freizeit, Nerven und, nicht zu vergessen, Geld für eine Sache, die nur geringen Erfolg verspricht?

Man hüte sich aber vor Verallgemeinerung und davor, unsere Bürger schlechthin als inaktiv abzuurteilen. Denn es gibt sehr wohl Bereiche, deren Verletzung dem Herrn und der Frau Österreicher empfindlich schnterzt.

Dann nämlich, wenn es unmittelbar um den eigenen Nahbereich geht, fühlen sich gestörte Bürger durchaus nicht so machtlos wie gegenüber dem, „was die da oben machen". Das beweisen zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich verschiedenster kleiner, lokaler Probleme annehmen. Für den kleinen Bereich sind also die Menschen durchaus bereit, sich, um für eine gerechte Sache zu kämpfen, zusammenzuschließen.

Alles Gerede von einer funktionierenden und lebendigen Demokratie wird freilich zur Leerformel, wenn sich die Bürger nicht zu Wort melden und nicht die Chance ergreifen, in einer Zeit der unleugbaren Krise des traditionellen Parteiensystems ein kräftiges Lebenszeichen ihrer Mündigkeit von sich zu geben. Denn es zeugt eigentlich ebensowenig von Mündigkeit, sich mit allem und jedem abzufinden, wie jener Vandalismus, der Scheiben einschlägt oder Häuser besetzt.

BUrgerpolitik? Das ist eine durchaus realistische Chance! Man soll sich gerade heute der Illusion hingeben, daß es einmal anders, besser wird.

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