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Vater für Staat und die Familie

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Ein Wort des Dankes an Rudolf Kirchschläger ist mir ein Herzensanliegen: Die Art und Weise, wie er zwölf Jahre hindurch, von 1974 bis 1986, das Amt des Staatsoberhauptes versehen hat, war ein sehr eindrucksvolles menschliches und christliches Zeugnis.

In einer Zeit, in der auch bei uns in Österreich der Zweifel an der Politik und an den Trägern politischer Aufgaben immer mehr um sich griff, stellte der scheidende Bundespräsident Kirchschläger in überzeugender Weise dar, daß ein politisches Amt in der Demokratie in erster Linie Dienst an der Allgemeinheit bedeutet.

Gleichzeitig hat Rudolf Kirchschläger gegenüber dem in den

letzten Jahren so verschärften Parteienstreit immer den notwendigen Grundkonsens der Zweiten Republik betont: das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen.

Bundespräsident Kirchschläger hat in seiner Amtszeit immer wieder wegweisende Worte zu den drängenden gesellschaftlichen Problemen gefunden — nicht nur, als er von den „sauren Wiesen“ der Korruption im öffentlichen Leben und der Notwendigkeit der Trockenlegung dieser „sauren Wiesen“ sprach. Wer hören wollte, konnte hören. Dazu hat er in eindringlicher Weise die Notwendigkeit eines moralischen Grundkonsenses betont, den Vorrang des Gewissens gegenüber rein materiellen Erwägungen oder Überlegungen des Machtkalküls unterstrichen.

Mit vielen Katholiken dieses Landes weiß ich Rudolf Kirchschläger vor allem dafür Dank, daß er aus seiner christlichen Uberzeugung auch als Träger des

höchsten Amtes im Staat kein Hehl gemacht hat. In einer Zeit, die von der Unverbindlichkeit und dem Trend zur Privatisierung aller Wertvorstellungen geprägt wird, ist ein Zeugnis dieser Art ein besonderer Dienst an der Allgemeinheit.

Auch für mich persönlich war es eindrucksvoll, mit welcher Selbstverständlichkeit Rudolf Kirchschläger als Bundespräsident seinen Glauben in der Öffentlichkeit bekannte. Er bekann-

te — und bekennt sich — in Wort und Tat als Christ, ohne jeden „Klerikalismus“, ohne jede unzulässige Vermischung seines politischen Amtes und seiner religiöskirchlichen Uberzeugung.

So entsprach die Art, wie er auch als Bundespräsident seinen katholischen Glauben praktizierte, ganz dem Bild des christlichen Laien, wie es das Zweite Vatikanische Konzil gezeichnet hat: der Laie, der aus der Kraft seiner christlichen Uberzeugung heraus

imstande ist, die Werte des Evangeliums, die weltverändernde Kraft des Glaubens in die Gesellschaft zu tragen.

Dazu hat die selbstverständliche Art und Weise, mit der Rudolf Kirchschläger an der Spitze des Staates seinen christlichen Glauben bezeugt hat, ohne jeden falschen Ausschließlichkeitsanspruch vor Augen geführt, daß dieses Land von seinen christlichen Wurzeln auch heute zutiefst geprägt ist. so daß die praktizie-

renden Christen in Österreich keine Minderheit am Rande sind.

Ich möchte dem scheidenden Bundespräsidenten in diesem Zusammenhang von Herzen auch dafür danken, daß er in seinen vielen Gesprächen mit ausländischen Staatsgästen ohne falsche diplomatische Rücksichten mutig die in manchen Ländern bedrängte Situation der gläubigen Christen zum Thema gemacht hat. Auch in diesem der Öffentlichkeit verborgenen Aspekt seines Wirkens hat sich Rudolf Kirchschläger als Christ der Tat erwiesen.

Was mich auch mit ihm verbunden hat und verbindet, ist die Tatsache, daß sein Sohn Walter, heute Professor der Theologie in Lu-zern, einige Jahre hindurch mein Sekretär war. Dadurch bin ich Rudolf Kirchschläger und seiner Familie in einer besonderen Weise menschlich nähergekommen: Ich hatte so Gelegenheit, das vorbildliche Familienleben Kirchschlägers kennenzulernen.

In einer Zeit, in der auch ein so zentraler menschlicher Wert wie Ehe und Familie vielfach in Zweifel gezogen, ja zurückgewiesen wird, erscheint es mir um so wichtiger, daß der erste Mann im Staat durch seine Lebensführung die Bedeutung solcher zentraler Werte unterstreicht. Weil Uberzeugung und Lebenspraxis bei ihm übereinstimmen, vermochte er auch gegen den Trend zur „vaterlosen Gesellschaft“ echte Väterlichkeit zu repräsentieren.

So bin ich überzeugt, daß Rudolf Kirchschläger auch nach seinem Ausscheiden aus dem hohen Amt des Bundespräsidenten durch das Beispiel seiner menschlichen und gläubigen Haltung weiterhin für viele Menschen in Österreich Vorbild und Wegwei- J ser bleiben wird.

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