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Vater und Sohn

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Der Ehrgeiz großer Instrumen-talisten, sich als Orchesterleiter zu versuchen, ließ auch Yehudi Menuhin nicht ruhen. An der Spitze seines „Menuhin Festival Orchestra“ hat er sich jetzt auch in Wien im großen Musikvereinssaal als Dirigent präsentiert. Es kam ein Abend zustande, der, wenn auch alles in Ordnung ging, durchaus nicht ereignisträchtig war und dem brav und tüchtig spielenden Kammerorchester, dem Dirigenten und dem Geiger Menuhin keine besonderen Lorbeeren einbrachte. Menuhin ist ein schlagtechnisch gschickter Dirigent mit deutlichen, mätzchenfreien Bewegungen, doch kam er in Strawinskys „Apol-lon Musagere“ nicht über ein ziemlich spannungsloses Abspielen hinaus, die Darstellung von Haydns englischer e-Moll-Symphonie „La passione“, ließ stärkere affektive Momente vermissen. Und leider erlebte man auch nicht die erwartete große geigerische Leistung in Bachs E-Dur-Konzert. Die Bogenhand scherte manchmal. Die Intonation durfte man nicht mit höchsten Genauigkeitsgraden nachmessen. Schließlich begleitete der Künstler seinen Sohn Jeremy in Beethovens noch stark nach Mozart orientiertem B-Dur-Konzert, das der junge Pianist sehr sauber, im Adagio wirklich „con grande espressione“, spielte. Stürmischer Empfangsapplaus zu Beginn des Abends, der aber nach den einzelnen Programmnummern schon wesentlich sordinierter klang.

Als Grenzgänger zwischen gemäßigter Modernität und barocki-sierender Tradition, freier Tonalität und sittsamer Diatonik, einfallsreicher Melodik und kapriziöser Rhythmik versucht Gottfried Einem in seinem „Concerto für Orchester“ das Publikum für sich zu gewinnen. Josef Krips an der Spitze der Wiener Symphoniker ließ die Strukturen des Werkes bedeutsam hervortreten, so daß es in einer solchen guten Wiedergabe Popularität erlangen könnte. — Uber der Genialität der Instrumentation von Strauss' „Heldenleben“ vergißt man leicht die dieser symphonischen Dichtung so gern angekreideten, angeblichen „Banalitäten“, besonders wenn Krips das Werk so vollendet farbenreich interpretiert. Michael Schnitzler spielt höchst anerkennenswert die Geigensoli. Die Sensation des Abends aber war die junge japanische Geigenkünstlerin Mayumi Fujikawa im Tschaikowsky-Konzert. Eine so unerhörte, ans Unwahrscheinliche grenzende Technik, gepaart mit einer natürlichen Musikalität und stilistischen Sicherheit, hat man schon lange nicht mehr erlebt. Das Publikum des Musikvereinssaales war ob eines solchen Geigenwunders fasziniert und dankte mit einem Beifallssturm.

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