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Venezuela kämpft gegen die Krise

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In zwanzig Jahren hat sich Venezuela, Lateinamerikas größter Erdölproduzent, von einem feudalistischen Agrarland zu einem Industriestaat entwickelt. Inzwischen macht die Wirtschaftskrise auch diesem reichsten südamerikanischen Land schwer zu schaffen. Dennoch rüsten die Venezolaner. Grund: Territorialdispute mit Nachbarstaaten.

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In zwanzig Jahren hat sich Venezuela, Lateinamerikas größter Erdölproduzent, von einem feudalistischen Agrarland zu einem Industriestaat entwickelt. Inzwischen macht die Wirtschaftskrise auch diesem reichsten südamerikanischen Land schwer zu schaffen. Dennoch rüsten die Venezolaner. Grund: Territorialdispute mit Nachbarstaaten.

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Das 17-Millionen-Land Venezuela hat pro Kopf der Bevölkerung die meisten Telefone und den höchsten Stromverbrauch in Südamerika. Aber in seinen weithin unerschlossenen Urwaldgebieten leben noch Indianerstämme so weltfern und primitiv, wie Alexander von Humboldt sie um 1800 auf seiner Reise zum Orinoco beschrieben hat.

Bis 1958 hatten Diktatoren die Geschicke des Landes gelenkt. Der Erdölreichtum verschaffte

ihnen die Mittel zum Bau imposanter Projekte. Entwicklungsarbeiten in der Provinz kamen zu kurz, der klaffende Gegensatz zwischen Arm und Reich wurde nicht überbrückt.

In Maracaibo, an der Quelle des Ölreichtums, entstanden trostlose Arbeitersiedlungen. Kakao-, Kaffee- und Gemüseplantagen wurden aufgegeben. Die Jugend findet sich kaum noch zur Landarbeit bereit.

Venezuela muß seine aus dem Ölgeschäft gewonnenen Devisen für teure Lebensmittelimporte ausgeben, das macht es zu einem der teuersten Länder der Welt. Obwohl es der Staat nicht an Bemühungen fehlen ließ, allen Venezolanern eine Schulbildung zu

geben, herrscht nach wie vor großer Mangel an Fachkräften. Wie überall in Lateinamerika fehlt es an Berufsschulen, an einer systematischen Fachausbildung.

Unter den demokratischen Regierungen sind die alten Probleme geblieben: Wie kann der natürliche Reichtum Venezuelas mehr Venezolanern zugute kommen, in welchem Maße soll Auslandskapital herangezogen werden, wie läßt sich die Diskrepanz zwischen sprunghafter Bevölkerungszunahme und fehlenden Arbeitsplätzen beheben?

Zwar wußte Venezuela, fünfgrößter Ölproduzent der Welt, die Ölkrise Anfang der siebziger Jahre zu nutzen, indem es die Erdölhähne weit auf drehte, aber es ver- zeichnete in den letzten Jahren stark verringerte Einnahmen aus

dem Ölexport. Der Staat ist hochverschuldet, seine Außenwirtschaftsbilanz negativ.

Die bisher erschlossenen Erdölquellen werden in zehn bis zwölf Jahren erschöpft sein. Von der Ölindustrie, die 90 Prozent der Exporterlöse erwirtschaftet, wird sich Venezuela auf andere Industrien und auf die Landwirtschaft umstellen müssen. Das Wachstumspotential ist längst noch nicht ausgeschöpft.

Einstweilen aber müssen die Venezolaner den Gürtel enger schnallen, bekommen sie abnehmende Kaufkraft, steigende Arbeitslosigkeit und eine hohe Inflation zu spüren. Während die Wirtschaft stagniert, vermehrt sich die Bevölkerung in überdurchschnittlichem Maße.

Szenenwechsel nach Canaima, südlich des Orinoco: Neben der Piste des Flughafens hat das Militär seine Zelte aufgeschlagen. Der seit Jahren schwelende venezolanisch-guayanische Territorialkonflikt hat die Soldaten hergebracht. Es geht um eine rohstoffverdächtige Dschungelregion von der Größe Westdeutschlands.

Venezuela beansprucht ein Gebiet, das nicht weniger als zwei Drittel der einstigen britischen Kolonie Guayana umfaßt. Das englischsprachige, seit 1966 unabhängige Guayana, ein armes Entwicklungsland mit rund 900.000 Bewohnern, kam nicht umhin, eine eigene Armee auf die Beine zu stellen.

Nicht von ungefähr stellte sich Venezuela im Falkland-Konflikt entschiedener als alle anderen Länder der Region auf Argentiniens Seite. Ein erklecklicher Teil der Erdöleinnahmen wurde zum Kauf modernster Waffen verwendet.

Venezuela streitet sich außerdem mit seinem Nachbarn Kolumbien um ein Sumpf- und Urwaldgebiet nordwestlich von Maracaibo. In Caracas spricht man nicht von den Erdölvorräten, die in den umstrittenen Gebieten vermutet werden, sondern man pocht auf die Souveränität und nationale Ehre Venezuelas.

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