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Verbannung vom Athos ?

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BÜCHER

Neuerscheinung: Elmar Mayer, Heimat unter Hitlerfahnen, Eindrücke und Erlebnisse aus der Nazizeit. Selbstverlag: Rlngstr. 10, A-6840 Götzis, im Buchhandel erhaltlich.

Wie sich die Normen ändern: Da treffen sich der Zentralsekretär der KPdSU und der Patriarch von Moskau zum Gespräch, da werden vom kommunistisch-atheistischen Staat Klöster renoviert, Kirchen geöffnet und Besucher aus der ganzen Welt zu den Millenniumsfeiern eingeladen. Im Süden Europas aber, im freien christlichen EG-Land Griechenland, wird es enger, zumindest

dort, wo die Interessen der Bewohner der einzigen Mönchsrepublik der Welt, Athos, jene der Beschützermacht Griechenland stören.

Ist allen orthodoxen Griechen der Besuch des Heiligen Berges erlaubt, so wird seit Jahren den ausländischen Besuchern das Betreten der Mönchsrepublik erschwert. Dies mit dem Hinweis, daß das oberste Verwaltungsgremium des Athos selbst einst die griechischen Behörden ersucht habe, nicht mehr als zehn Ausländer pro Tag auf den Athos zu lassen.

Doch bereits 1974, als dieser Wunsch an die griechische Schutzmacht herangetragen wurde, hat man deutlich formuliert, daß diese Beschränkung für die orthodoxen Glaubensbrüder aus aller Welt nicht gelten dürfe. Die schwierige Unterscheidung zwischen orthodox und nicht orthodox bereitet den griechischen Behörden offensichtlich seither große Schwierigkeiten, alle diesbezüglichen Erklärungen werden nicht einmal beantwortet.

Im Jahre 1980 bereits ist beispielsweise im Protokoll der sogenannten „Doppelsitzung“ der Mönchsverwaltung nachzulesen, daß der Abt des griechischen Klosters Grigoriou feststellte, „daß es unsere moralische Verpflichtung ist, unsere Tore auch für Nicht-griechen, die unseren Glauben leben, offenzuhalten. Wegen ihres Glaubens werden sie von antichristlichen Regimen verfolgt und kommen auf den Heiligen Berg, um Trost zu finden. Wenn man ihnen von griechischer Seite die Einreise verweigert, dann hilft man in Wirklichkeit den Ideologien und Zielen des atheistischen Regimes ihrer Heimat.“

Doch an der Praxis der griechi-

schen Behörde hat sich bis heute, trotz wiederholter Proteste, nichts geändert.

Neuerdings sind 32 nichtgriechische Mönche, die bereits seit geraumer Zeit auf dem Athos leben, in Gefahr, von dort verbannt zu werden. Davon betroffen sind nicht nur Mönche aus kommunistischen Ländern, zwei Drittel von ihnen wären Staatsangehörige der sogenannten freien Welt. Mit ein Grund für die Vertreibung soll sein, daß die griechischen Behörden diese Mönche der Spionage verdächtigen. Wo es auf dem Athos ja soviel auszuspionieren gibt! Das Kennzeichen des Polizeijeeps zum Beispiel, die Anzahl der Fastentage der frommen Väter, oder gar die Zahl der Uberschalljets, die jede Woche die heilige Ruhe stören?

Völlig unverständlich wird die Haltung der Behörde, wenn man weiß, daß die von der griechischen Verfassung bestätigte Satzung der Mönchsrepublik vorsieht, daß jeder ausländische Mönch die griechische Staatsangehörigkeit „ohne jede weitere Formalität“ dann erhält, wenn er von einem Athoskloster formell aufgenommen wird. Wird dieses Recht jetzt beschnitten, dann ist zugleich die Existenz dieses einmaligen Mönchsstaates gefährdet. Er ist für die orthodoxe Welt das, was der Vatikan für die Katholiken darstellt: ein Territorium, das sich durch seinen a priori geistlichen und ökumenischen Charakter auszeichnet und sich gerade deshalb der umgebenden Macht zumindest teilweise entzieht.

Der Athos ist nicht nur der Heilige Berg der Griechen. Jeder in der Geschichte Ostroms und des Balkan halbwegs Bewanderte weiß sehr gut, daß Rußland und die orthodoxen Balkannationen dem Athos ihre geistige und kulturelle Physiognomie zu einem großen Teil verdanken.

Daß jener Teil Europas, der die jahrhundertlange Herrschaft der Türken und auch die Besetzung durch deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg unbeschadet überdauerte, nun durch die griechische sozialistische Regierung seiner traditionellen und verbrieften Rechte beraubt werden soll, ist eine Tragödie europäischen Ausmaßes.

Der Autor ist ORF-Abteilungsleiter und orthodoxer Christ.

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