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Verbündete der Südtiroler?

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Vor zehn Jahren gab es sie noch gar nicht. Da kannte man eine „Liga veneta”, eine „Lega Lombarda” oder auch eine „Unione Piemonteisa”. Das waren eher Autonomistenvereine zur Pflege der eigenen kultureilen Identität. Mittlerweile eilt die „Lega Nord”, die Verbindung dieser „Leghen” und einiger anderer dazu, in Italien von einem Wahlerfolg zum anderen.

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Vor zehn Jahren gab es sie noch gar nicht. Da kannte man eine „Liga veneta”, eine „Lega Lombarda” oder auch eine „Unione Piemonteisa”. Das waren eher Autonomistenvereine zur Pflege der eigenen kultureilen Identität. Mittlerweile eilt die „Lega Nord”, die Verbindung dieser „Leghen” und einiger anderer dazu, in Italien von einem Wahlerfolg zum anderen.

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Die Gründe für diese Erfolge sind ebenso merkwürdig wie vielfältig. Da gibt es einmal die - auch in anderen Staaten zu bemerkende -Unzufriedenheit mit den „Altparteien”. Dazu kommen in Italien das Mißtrauen gegenüber der römischen Zentralregierung, das starke soziale Gefälle, das den reichen Norden zum Dauerspender an den armen Süden verpflichtet, die Aufweichung der ideologischen Parteifronten seit dem Ende des Kommunismus in Osteuropa (die Feindbilder von ehedem sind verlorengegangen) und sicher nicht zuletzt die staatliche Mißwirtschaft und die Korruption, die seit Monaten Italien an den Rand einer Staatskrise treiben.

Eine Zeit für Saubermänner also, die in einem Reservoir von Unzufriedenen fischen. Beim Referendum vom 18. und 19. April dieses Jahres, bei dem den Wählern acht Fragen gestellt wurden, haben beispielsweise 90,1 Prozent für eine Abänderung des Gesetzes zur Parteienfinanzierung und 82 Prozent für eine Abänderung des Wahlsystems bei den Senatswahlen gestimmt. Auf dieser Welle schwimmt Umberto Bossi, der Boß der „Lega Nord”, mit dem Schlachtruf „Roma ladrona - la lega non perdona” -den römischen Dieben wird die Lega nie vergeben.

Drohung an die Kirche

Und das trotz aller Purzelbäume, die Bossi, Jahrgang 1941, immer wieder schlägt. So hat er etwa ursprünglich die Dreiteilung Italiens in einen Nord-, Mittel- und Südstaat auf sein Banner geschrieben, heute ist davon nicht mehr die Rede. So hat er 1992 angekündigt, in spätestens vier Jahren der DC, der Democrazia Cristiana, „mit einem Schwerthieb die Gurgel'durchschneiden” zu wollen. Heute wirft er die Angel nach einer Koalition mit der im Süden noch starken DC aus. So hat er der Kirche nach der Kritik italienischer Bischöfe am Menschen- und Weltbild der Lega mit einem Referendum zur Änderung des Steuersystems gedroht, das derzeit dem Steuerpflichtigen die Finanzierung der Kirche verhältnismäßig leicht macht.

Doch die Wahlerfolge sprechen für die „Lega Nord”. Bei den Parlamentswahlen vom 5. April 1992 zog sie mit 55 Abgeordneten in die Kammer und mit 25 Senatoren in den Senat. Zuvor hatte sie je einen Abgeordneten und Senator. Bei den Gemeinde- und Regionalwahlen am 6. und 20. Juni dieses Jahres landete sie weitere Erfolge und stellt in Mailand sogar den Bürgermeister.

Stimmen aus Bauerndörfern

Was hat das alles mit Südtirol zu tun? Es gibt Leute, die meinen, die Lega sei, weil sie antirömisch ist, auch schon eine föderalistische Partei, die für die Minderheiten und damit auch für die Südtiroler etwas übrig habe. Zu dieser Meinung mögen auch ein Interview des Lega-Vordenkers Gianfranco Miglia beigetragen haben, in dem sich dieser für das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler einsetzte, oder auch die Rosen, die Umberto Bossi und Daniele Vimercati der Südtiroler Volkspartei in ihrem Geschichtsbuch über die Lega gestreut haben.

Tatsache ist, daß bei den Parlamentswahlen 1992 die „Lega Nord” auch in Südtirol Stimmen erhalten hat - auch von Südtirolern und selbst in entlegenen Bauerndörfern. Auch wenn man diese Stimmen ebensowenig überschätzen sollte, wie die Umfragen, die der Lega bei den Landtagswahlen heuer im Herbst bis zu fünf Mandate vorhersagen, die auch von Südtiroler Stimmen kommen, so analysiert man in Bozen doch eingehend das

Stimmenreservoir.

Bei den letzten Landtagswahlen am 20. November 1988 erhielt die Südtiroler Volkspartei mit 60,38 Stimmen 22 der insgesamt 35 Landtagsmandate, gefolgt von den Neufaschisten mit 10,29 Prozent der Stimmen und vier Mandaten, der DC mit 9,07 Stimmprozenten und drei Mandaten und den Grünalternativen mit 6,71 Prozent und zwei Mandaten, während Sozialisten, Kommunisten, Südtiroler Heimatbund und Südtirols Freiheitliche je eine Mandat erzielten.

Mailand statt Rom?

Dem Trend der Zeit entspräche es, wenn die italienischen Parteien Stimmen einbüßten. Ob die zur Lega abwandern, ist nicht so unbedingt sicher. Ebensowenig sicher ist, wie Heimatbund und die neu formierten Freiheitlichen abschneiden werden, auch wenn diese mit Pius Leitner, bis vor kurzem noch Kommandant der Südtiroler Schützen, eine gewisse Zugkraft hinzugewonnen haben. Bleibt also die Südtiroler Volkspartei, gegen die die Lega antreten müßte, um Erfolg zu haben.

Die SVP und mit ihr viele andere Südtiroler sind nicht der Meinung, die „Lega Nord” sei eine föderalistische Partei. Sie ist zwar gegen Rom und gegen die „diebischen Römer”, aber das allein ist keine Garantie für einen echten Minderheitenschutz. In Bozen hat man wenig Lust, Rom einfach mit Mailand zu vertauschen. Daß auch andere dieser Ansicht sind, hat sich bei den Regionalwahlen in Aosta am 30. Mai gezeigt: Da erhielt die bisher nicht vertretene ,Lega Nord” zwar drei Sitze, aber Gewinnerin war die „Union Valdotaine”, die sich von zwölf auf 14 Abgeordnetensitze verbessern konnte.

Die Axt im Haus erspart den Zimmermann. Was die Südtiroler bisher zuwege gebracht haben, dazu, so meint man in Bozen, bedürfe es nicht einer zweifelhaften und eher sprunghaften Hilfe aus Mailand.

Die einzig offene Frage: Wohin bläst der Wind gegen etablierte Parteien?

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