7054822-1991_14_04.jpg
Digital In Arbeit

Verflogene Euphorie

19451960198020002020

Ausländer sind anders - als viele Österreicher glauben ", beweist eine Studie gegen Fremdenangst

19451960198020002020

Ausländer sind anders - als viele Österreicher glauben ", beweist eine Studie gegen Fremdenangst

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn Milo Dor in seinem Nachruf auf György Sebestyen (FURCHE 24/1990) berichtete, daß dieser den Ausdruck „die Tschuschen-Brothers" für sie beide geprägt hatte, dann ist damit schon etwas über die Einstellung der Österreicher gegenüber Fremden gesagt. Selbst so international anerkannte Schriftsteller wie diese beiden, waren Vorurteilen einiger Österreicher gegenüber Fremden ausgesetzt.

Da vieles, was in Österreich an Fremdenangst und Ausländerfeindlichkeit herrscht, nur auf Vorurteilen basiert, haben Waltraud Mayer.

Ahamd Bari und Josef F. Bucek in einer vom Renner-Institut herausgegebenen Studie Argumente gegen 20 Vorurteile gesammelt.

Ängste, die auch durch den jüngst vorgelegten Sicherheitsbericht kaum begründet scheinen, betreffen die Ausländerkriminalität. Zwar stieg der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen an der Gesamtkriminalität von 13,9 im Jahre 1989 im Vorjahr auf 18,4 Prozent, doch sagt das relativ wenig über die tatsächliche Straffälligkeit aus. Denn erstens werden Ausländer nicht selten ohne jeglichen Beweis verdächtigt, und zweitens wird in der Kriminalstatistik nicht zwischen schon einigen Jahren hier lebenden Gastarbeitern, illegal Beschäftigten (Schätzungen belaufen sich auf 40.000), Touristen, Durchreisenden und Flüchtlingen unterschieden. Darüber hinaus hat das Institut für Rechts- und Krimi-nalsoziologie ermittelt, daß der Hälfte aller angezeigten Ausländer ein geringfügiges Eigentumsdelikt vorgehalten wird und Aggressionsdelikte eine wesentlich geringere Rolle als bei Österreichern spielen.

Bezeichnend auch, daß im Vergleich zu österreichischen Männern bei Ausländern keine Überaktivität bei Sexualdelikten nachweisbar ist und damit das „Beschützer-Vorurteil": „die Ausländer belästigen unsere Frauen", durch Tatsachen keinen Beleg findet.

Noch deutlicher widersprechen die Fakten der gerne auch über manche Medien transportierten Behauptung, die Ausländer seien Sozialschmarotzer. Dagegen spricht, daß einige Sozialleistungen, wie etwa die Notstandshilfe oder Mietzinsbeihilfe, nur von Inländern in Anspruch genommen werden können. Kinderbeihilfe erhalten Gastarbeiter erst nach dreimonatiger Beschäftigung für ihren ständig hier lebenden Nachwuchs. Und Faulheit läßt sich den Fremden ebenfalls schlecht nachsagen: Repräsentative Daten aus der Wiener Gebietskrankenkasse belegen, daß fremdländische Arbeitskräfte nicht häufiger in Krankenstand gehen als Österreicher. Auch in der Schlange vor dem Arbeitsamt dürfte nach Expertenschätzung der Anteil der Ausländer im Verhältnis zur Gesamtbeschäftigung geringer sein, da sie mehr in die Arbeitslosenversicherung einzahlen als sie daraus beziehen. Die Differenz kommt uns Österreichern zugute.

Willkommen sind Fremde, die in teuren Hotels nächtigen. Dort sieht man ihnen sogar nach, wenn sie

Aschenbecher, Handtücher oder ähnliche „Souvenirs" mitgehen lassen. Problematisch wird die Sache, wenn sich in einzelnen Wohnvierteln viele Ausländer ansiedeln, denn „wo Ausländer wohnen, ist alles desolat". Dieser Vorwurf mag da und dort sogar berechtigt sein, doch sind dafür die Gastarbeiter verantwortlich zu machen? Tatsache ist, daß überdurchschnittlich viele Ausländer gezwungen sind, in Substandard-wohnungen einzuziehen, weil andere an sie gar nicht vergeben werden. Dafür bekommen sie meist nur befristete Mietverträge und müssen auch noch horrende Mieten zahlen. Trotz dieser Situation investieren zwei von drei ausländischen Hauptmietern Geld und Arbeit in ihre Wohnungen.

Schmutzige Ausländer?

Daß bei überbelegten, winzigen Bassenawohnungen fremdländische Männer und Frauen nicht gerade wie einem Hochglanz-Modejournal entsprungen aussehen, sollte nicht verwundern. Meist wird von Österreichern von modischen Leitbildern ausgegangen, denen finanzschwache Gastarbeiter gar nicht entsprechen können. Was die tatsächliche Reinlichkeit betrifft, kann gerade bei Muslimen eine Einhaltung ihrer strengen Reinlichkeitsregeln zu Problemen am Arbeitsplatz führen. Wer orientalische Kulturen kennt, weiß, daß-die traditionellen Lebensformen keineswegs unhygienisch sind.

An Fakten gemessen, bleiben also vonden gängigen Stereotypen nicht viel mehr übrig als Gefühle. Und diesen ist mit dem Verstand schwer beizukommen. Gegen Gefühle hilft nur die Wirklichkeit - also persönliche Begegnung mit Ausländern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung