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Verfolgung und Spaltung

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Für den Jesuiten Luis Gutheinz haben Chinas Katholiken das Ärgste an Verfolgung und Spaltung überstanden. Der steigende Lebensstandard bedeutet: Chancen und Probleme.

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Für den Jesuiten Luis Gutheinz haben Chinas Katholiken das Ärgste an Verfolgung und Spaltung überstanden. Der steigende Lebensstandard bedeutet: Chancen und Probleme.

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Zehn Jahre nach dem Tod Mao Zedongs hat sich das Gesicht der Volksrepublik China wesentlich verändert. Die wirtschaftliche Öffnung zum Westen hat Veränderungen in vielen Lebensbereichen gebracht, darunter auch mehr religiöse Freiheit. Heute leben in China etwa zehn Millionen Katholiken, dreimal soviel wie vor 40 Jahren, als die Kommuni-

sten die Macht übernommen und eine Welle der Verfolgung der Gläubigen gestartet haben.

Seit der Spaltung der katholischen Kirche im Jahre 1957 wird der Rom treugebliebene Flügel heftig verfolgt. Die patriotische Vereinigung dagegen, die „Vaterlandsliebe-Bewegung“, die aus politischen Gründen mehr zur Regierung und zur kommunistischen Partei hält, genießt mehr Freiheit. So sind etwa bereits acht Priesterseminare dieser Bewegung öffentlich anerkannt. Die Regierung selbst beiteiligt sich an der Restaurierung der Kirchen, wie etwa der vor kurzem eröffneten Nordkirche Be-i-tan in Bei-jing (Peking).

Es werden der Kirche auch gewisse Eigentumsrechte zurückgegeben. Ein weiteres Beispiel einer

gewissen Lockerung ist die Tatsache, daß es unlängst dem Weihbischof von Shanghai, Aloisius Zin, möglich wurde, eine Druckerei in Shanghai aufzubauen und dort seine Ubersetzung der vier Evangelien der Jerusalem-Bibel zusammen mit Kommentaren in 300.000 Exemplaren zu drucken.

Doch alle diese Maßnahmen dienen nur einem Zweck: Bei den nach China kommenden Touristen den Eindruck von Religionsfreiheit zu erwecken. Luis Gutheinz, Jesuitenpater von der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Fujen in Taiwan, sieht die Lage so:

„Die Regierung der Volksrepublik hat eingesehen, sie kann den Schritt in das moderne .Morgen' nicht ohne Hilfe des Auslands leisten. Nun, wenn es ohne ausländische Firmen und Experten nicht geht, dann geht es eben ohne ausländische Religion nicht. Doch das bedeutet nicht, daß die kommunistische Regierung den Kampf gegen die Religion aufgegeben hat.“

In Geheimdokumenten heißt es: „Unsere Methode muß jetzt nicht direkter Angriff sein, sondern indirekte Unterminierung, Aushöhlung und Verwässerung des religiösen Lebens, um dann einen Schritt näher zum Ziel einer völlig religionslosen, atheistischen Gesellschaft zu gelangen.“

Die Regierung versucht, durch eine atheistische Presse, eine atheistische Gehirnwäsche, die tagtäglich auf die Menschen einstürmt, das religiöse Leben zu relativieren. Die Verwässerung geschieht dadurch, daß eine streng organisierte Geheimpolizei das ganze Land durchnetzt. Dieses Bewußtsein der gläubigen Christen, ständig überwacht zu sein, lähmt zum Teil auch ihre religiöse Aktivität.

Ein weiterer schwächender Faktor der Kirche Chinas ist ihre seit 30 Jahren bestehende innere Spaltung. Doch diese büdet keine direkte Bedrohung des Christentums in China, betont Pater Gutheinz: Mim Hinblick auf die Kir-

chengeschichte, in der es ähnliche Situationen gab, würde ich sagen, die Kirche wird sich langsam zusammenfinden.“

Man versucht, Brücken zu schlagen. Beijing bekundet aber kein Interesse daran, diplomatische Beziehungen aufzunehmen, solange der Vatikan an den Beziehungen mit Taiwan festhält. Doch der eigentüche Brennpunkt hegt nicht in Beijing und auch nicht in Taiwan, sondern bei den Katholiken, die bis jetzt Rom treugeblieben sind und lieber Verfolgung leiden.

In letzter Zeit beobachtet Pater Gutheinz Veränderungen in den Positionen der beiden Lager: „Es gibt Rom treue Priester und Laien, die an Messen der patriotischen Bewegung teilnehmen, es gibt aber auch Priester und Bischöfe in der patriotischen Bewegung, die indirekt, in Briefen oder auch mündlich den Heiligen Vater wissen lassen: ,Wir sind nicht radikal gegen den Papst.“'

Dieser Prozeß beweist, daß es auf beiden Seiten zur Aufweichung der extremen Positionen kommt.

Jetzt kommt es für die Christen bald mehr darauf an, aus innerer Uberzeugung mit dem langsam wachsenden Lebensstandard zu leben. Das wird vielleicht dem Christentum zu schaffen machen, denn bis jetzt hat es stark aus der Verfolgungssituation gelebt.

Für die Zukunft meint Pater Gutheinz: „Ich sehe jetzt bereits voraus, daß das Christentum in China das durchleben wird, was Taiwan seit mehr als 15 Jahren erfährt; ein Christentum in einem asiatischen Bereich versucht als ganz kleine Minorität, mit einer sich ökonomisch rapide entwickelnden Gesellschaft zu leben. Ich hoffe, je mehr diese ökonomische Entwicklung voranschreitet, umso mehr wird sich die Religion einen Freiheitsraum schaffen.“

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