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Vergiftete Böden

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Die flächenbezogene Steigerung landwirtschaftlicher Erträge in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, so etwa in Österreich bei Weizen von 1950bis 1984 um etwa das Dreifache, gibt Anlaß zur Frage, ob bei solchen Ertragssteigerungen der Boden nicht völlig in Ordnung sein muß, ja sogar im genannten Zeitraum erheblich verbessert worden ist.

Diese Sicht ist aus zwei Gründen falsch:

• Die Steigerung der Flächenerträge wurde durch außerordentlich hohe Investitionen fossiler Energie (Maschineneinsatz, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, Pflanzenzüchtung) erkauft, deren ökologische Langzeitwirkungen derzeit noch gar nicht abschließend beurteilt werden können.

• Bei dieser Betrachtungsweise wird der Boden allein als Pröduk-tionsfaktor für eine möglichst hohe landwirtschaftliche Erzeugung gesehen. Der Boden hat jedoch zusätzlich weitere ökologische Funktionen, die für die menschliche Gesellschaft zunehmend überlebenswichtig werden:

• Die Filter-, Puffer- und Transformationsfunktion, die bisner weitgehend unbeachtet blieb, da keine oder nur wenige umweltrelevante Probleme bestanden. Diese Funktion beschreibt den Boden als Substrat, das schädliche Stoffe aus der Umwelt mechanisch filtern, biologisch umwandeln oder gänzlich abbauen sowie physikochemisch binden und-damit unschädlich machen kann.

Diese Eigenschaften schützen damit die wichtigsten Lebensgüter des Menschen, die Nahrung und das Wasser.

• Eine andere ökologische Funktion, an die in der Regel noch weniger gedacht wird, ist die Genschutz- beziehungsweise Genreservefunktion. In Böden leben Organismen, die nur im Boden vorkommen und die wir im Sinne des Artenschutzes und der Förderung einer großen Artenvielfalt erhalten müssen. Artenschutz gilt nicht nur für die Erdoberfläche, sondern auch für den Boden selbst

Die grundsätzliche Problematik liegt darin, daß es zunehmend darauf ankommt, die Produktionsfunktion mit der Filter-, Puffer- und Transformationsfunktion sowie der Genschutzfunktion in EinklangÄU bringen. Dabei treten erhebliche Konkurrenzen auf.

Ein wichtiges Kapitel ist die Belastung landwirtschaftlicher Böden durch Schwermetalle und weitere Stoffe aus der Anwendung von Klärschlämmen, Müllkomposten und Düngemitteln. Es stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Schwermetallkonzentration so hoch sein wird, daß sie entweder über die Bodenlösung in das Grundwasser oder aber über die Pflanzenaufnahme in die Nahrungskette gelangt.

Da Schwermetalle aus Böden nicht mehr entfernt werden können, handelt es sich hierbei um irreversible Schädigungen.

Da auf landwirtschaftlichen Böden derzeit hohe Stickstoffmengen zur Optimierung der Biomassenproduktion ausgebracht werden, wird in vielen Fällen deren Filter-, Puffer- und Transformationsfunktion überlastet, wodurch Nitrat in das Grundwasser gelangt.

Ein weiterer Problemkreis sind organische Schadstoffe, etwa Pestizide, die als Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel auf landwirtschaftliche Böden gelangen. Obwohl ein Großteil dieser Mittel heute sehr schnell (in wenigen Wochen) ab- beziehungsweise umgebaut werden kann, ist hierbei die Problematik der Optimierung von Biomasseproduktion gegen Genschutz im Boden sowie Qualität des Grundwassers angesprochen.

Der Autor ist Professor für Bodenforschung und Baugeologie an der Universität für Bodenkultur in Wien, sein Beitrag ein Auszug aus einem Vortrag im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach.

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