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Verhärtete Fronten

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Der Terror in Nordirland hält an, die Positionen der Kontrahenten verhärten sich weiter. So gesehen steht der geplante anglo-irische Ulster-Gipfel im Herbst unter einem ungünstigen Stern.

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Der Terror in Nordirland hält an, die Positionen der Kontrahenten verhärten sich weiter. So gesehen steht der geplante anglo-irische Ulster-Gipfel im Herbst unter einem ungünstigen Stern.

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Aber waren die Auspizien denn jemals besser, wenn die Regierungschefs Londons und Dublins einander trafen? Ende letzten Jahres stützten sich Hoffnungen und Erwartungen auf den in Dublin ausgearbeiteten und von allen katholischen Parteien der grünen Insel (mit Ausnahme von Sinn Fein) approbierten Bericht des „neuen Forums”. Margaret Thatcher freilich hat jede der zentralen Vorstellungen des „Forums”, Schattierungen von vereintem Irland bis zur geteilten Autonomie unter den beiden betroffenen Mächten, brüsk und kompromißlos ausgeschlagen.

Die nächste Begegnung außerhalb der regulären Treffen bei EG-Versammlungen, für März anberaumt, ist bisher immer wieder verschoben worden. Und wenn sich Premierministerin Margaret Thatcher und ihr irischer Gegenspieler Garret Fitzgerald nicht im voraus einig werden, wie die Rolle der Republik im Norden umschrieben werden kann, dann wird auch die nächste Zusammenkunft im Oktober oder November nichts anderes als eine Pleite.

Dublins Premier Fitzgerald braucht innenpolitisch einen Durchbruch in der verfahrenen Nordirland-Frage, die in Dublin so sensibel ist. Oppositionsführer Charles Haughey (Fianna Fail) absolvierte eben eine dreiwöchige Kampagne im Lande und führt in der öffentlichen Meinung um 14 Prozent vor Fitzgeralds Fine Gael.

Bis zu den nächsten Wahlen in zwei Jahren hofft der Premier die Sache wieder ins richtige Lot zu bringen, vor allem mit dem Hebel Nordirland. Dublin braucht eine sichtbare Präsenz im nördlichen Nachbarland, um die Interessen der verbündeten Minderheit zu wahren. Ein Weg zur Befriedung der unruhigen Provinz kann nie und nimmer den dritten Eckpunkt ausschließen.

Frau Thatcher dagegen sind die Hände durch die stärkeren prote-stantisch-royalistischen Parteien gebunden. Auch unter den Unionsparteien zeigen sich graduelle Unterschiede. Molineaux's offizielle Unionisten stehen zum Königreich, beugen sich indes dem Drängen aus Westminster, den Katholiken ein Mitspracherecht in Ulster zu geben. Nur über das Ausmaß liegen Molineaux und seine Mannen nicht auf derselben Linie wie London.

Auch die Einstellung zu Sinn Fein, dem politischen Flügel der Terrororganisation IRA, differiert. Alle Unionisten plädieren für ein Verbot der zweiten katholischen Partei aus der berechtigten Überlegung heraus, eine Organisation, die den Terror gutheißt, habe in einer Demokratie nichts zu suchen.

London aber will von einem Verbot von Sinn Fein, einer Vertreibung in den Untergrund nichts wissen. Besser einen demokratischen Gesprächspartner sichtbar präsent zu haben, als die Gegenwirkung im verborgenen womöglich noch zu verstärken. Wohl aber hat Douglas Hurd, der Minister in Belfast, eine neue Idee: Kandidaten für politische Ämter sollten vorerst offen der Gewalt abschwören, bevor sie sich einer Wahl stellen können.

Radikale Loyalisten sind von dieser Vorstellung nicht unbedingt angetan. Es bleibt schließlich fraglich, ob sich Pfarrer Ian Paisley diesem Eid stellen würde — er, der nun einmal Gewalt mit Gewalt begegnen will.

Paisleys demokratische Unionisten sind schärfer gegen den politischen und weltanschaulichen Gegner im eigenen Land eingestellt: Am besten, die Katholiken überhaupt in die Republik abzuschieben. Jeder Einfluß des römisch-katholischen Elementes sei auszumerzen, wenn nötig auch unter Herausforderung des Gesetzes.

Aus dieser Einstellung heraus unterstützt der streitbare Pfarrer auch eine Art von Reinigungsprozeß im protestantischen Lager. Das auf seine Weise makabre Schauspiel, als die Familien von protestantischen Polizisten in der „Orangen Zitadelli” Portadown von ihren Glaubensgenossen geschmäht, handgreiflich bedroht, eingeschüchtert und zeitweise aus ihrer Heimstätte vertrieben worden sind, gehört auch zum gegenwärtigen Ulster.

Molineaux verdammte die radikalen Übeltäter der Vorwoche, Paisley unterstützte sie. Er stellte sich gegen die Ordnungshüter, weil sie angeblich Anweisungen aus London über die Gebote der Königstreuen stellen. London befiehlt den Schutz der Minderheit vor Ubergriffen der Majorität; Paisley befiehlt Parteilichkeit auch jenen, die Recht und Ordnung aufrecht erhalten.

Mitte August hielten beide

Richtungen ihre Erinnerungsmärsche und Demonstrationen ab, von der Polizei RUC (Royal Ulster Constabulary) säuberlich getrennt, um unausweichlichen Zusammenstößen und neuen Opfern vorzubeugen. Paisley und Co. vermuten in der säuberlichen Trennung ein stillschweigendes Abkommen von London mit Dublin, um dem kommenden Zusammentreffen auf höchster Ebene wenn schon nicht Glanzlichter aufzusetzen, so doch wenigstens vor einem neuerlichen Scheitern zu bewahren.

Der erste Sündenbock ist also die Polizei, die sich vornehmlich in der protestantischen Arbeiterbevölkerung steigender Unbeliebtheit erfreut. Die Katholiken ihrerseits werfen der Polizei eine Politik vor, die gewöhnlich „shoot to kill” genannt wird: Gebrauch der Pistole, des Gewehrs und auch der Plastikkugeln zum Herzschuß gegen die Katholiken.

Westminster bereitet nun in seltener Ubereinstimmung mit Dublin einen Schachzug vor, der das Bild der RUC als einer anti-katholischen und pro-loyalistischen Polizeikraft verändern soll: Auffüllen der 12.000 Mann starken Ordnungsmacht mit Uniformierten von der Hauptinsel.

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